Die schönsten Männerkörper leiden

Erfolglose Wasserballer bangen um ihre Zukunft und mobben den Nationalcoach

  • Klaus Weise
  • Lesedauer: 2 Min.

Wasserball war mal so etwas wie ein Lieblingskind der deutschen Sportnation. Zumindest im Westen, wo nicht so sonderlich viel auf der Habenseite war. Und die BRD-Wasserballer wurden in den 80ern immerhin zweimal Europameister, je einmal Olympia- und WM-Dritter. Mit Spandau 04 aus Berlin gab es einen Verein, der viermal den Europacup der Landesmeister gewann.

Heute leben die Akteure der Sportart, die laut Wasserballlegende Hagen Stamm, Weltklassecenter und Bundestrainer (2000 - 2012), »die schönsten Männerkörper« formt, im schnöden Mittelmaß. 1995 als EM-Dritter und als Olympiafünfter 2004 gelang es letztmals, etwas Hoffnung zu verbreiten. Bei der WM 2013 war das Nationalteam Zehnter, bei der EM 2014 Neunter - für die WM 2015 konnte sich Deutschland nicht mehr qualifizieren.

Damit droht der Gau zum Supergau zu werden. Es gibt nur noch eine Qualifikationschance für Olympia 2016 in Rio - das Weltturnier im April nächsten Jahres in Italien. »Sehr groß, dass es dort gelingt, noch auf den Olympia-Zug aufzuspringen, ist die Wahrscheinlichkeit nicht«, sagt Stamm. Eine erneute Nichtteilnahme nach Sydney 2000 und London 2012 wäre vor allem wegen der damit verbundenen Fördereinbußen eine Bankrotterklärung für die Sportart. Da nahezu alle Nachwuchsauswahlteams in den vergangenen zehn Jahren bei internationalen Turnieren entweder fehlten oder im zweistelligen Ergebnisranking landeten, bleibt wenig Hoffnung auf eine kurzfristige Veränderung der Situation.

Bundestrainer Nebojsa Novoselac, 40-jähriger Serbe mit Topausbildung im führenden Wasserballland und sechs Jahre lang Trainer von Spandau 04, war 2013 als Stamm-Nachfolger eigentlich auserkoren, die Auswahl des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) als Nationaltrainer nach Rio zu führen. Doch nun will ihn offenbar so gut wie keiner mehr. Seine Spieler haben einen »Brandbrief« an DSV-Präsidentin Christa Thiel geschrieben, sich darin vornehmlich über »menschlichen Umgang und unpädagogischen Stil« des Trainers beschwert - und mehr oder minder dessen Ablösung gefordert. Seitdem macht er nach offiziellem Sprachgebrauch Urlaub, um Überstunden abzubummeln.

Novoselac ist unbequem, zweifellos. Nicht nur für die Spieler, von denen er mehr und härteres Training verlangt. Auch für die Entscheidungsträger des DSV, bei denen er Konzepte und Strukturveränderungen einfordert. Die Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit aber zeigen, dass dies einer Quadratur des Kreises gleicht. Das schlägt auch auf die Vereine durch, von denen lange allein Spandau 04 eine kleine Insel bildete, die sich noch gegen den Trend des Niedergangs stemmte. Doch auch in Berlin ist er nicht aufzuhalten. So wundert es nur wenig, dass auch die Vereine mit aktuellen Nationalspielern - im wesentlichen Spandau, Duisburg und Hannover - sich in Beratungen geschlossen gegen Novoselac ausgesprochen haben. DSV-Wasserballwart Hans-Jörg Barth will demnächst einen »einvernehmlichen Vorschlag« vorlegen.

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