Leben in Libanon

Rabih Mroué gastiert im HAU3

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

»Meine Stücke beschäftigen sich mit Fragen, die im politischen Klima Libanons unter den Tisch gekehrt werden«, bekennt Rabih Mroué. Der 1967 in Beirut geborene Regisseur, Stückautor und Schauspieler hat 1989 die Lebanese University im Bereich Theater absolviert und dort seine Frau kennengelernt, mit der er häufig zusammenarbeitet. Mit seinen Avantgarde-Projekten möchte er die Grenzen zwischen Theater und visueller Kunst sprengen helfen. Innovation verknüpft er dabei mit Konzeption und politischem Engagement.

In den USA vergleicht man Mroués Arbeiten schon mit denen der legendären Wooster Group. Obwohl seine Performances wie improvisiert wirken, folgen sie einem klar fixierten Ablauf, wollen durchaus provozieren. Was 1991 mit »The Journey of Little Gandhi« nach einer literarischen Vorlage begann, setzte sich mit Stücken fort, die in Libanon missliebig waren. So musste »How Nancy Wished That Everything Was an April Fool’s Joke«, vom libanesischen Innnenministerium verboten, in Tokio uraufgeführt werden und tourte dann wie zum Trotz international. Weitere Premieren erlebten Produktionen von Mroué, oft Installationen, in Spanien, Italien, Avignon, Dubai, Toronto.

Weshalb diese Stücke in Libanon auf wenig Gegenliebe stoßen, lässt sich im Fall von »The Pixelated Revolution« ermessen. Diese Installation zeigt Handyfotos, die festhalten, wie in einem Haus Menschen getötet werden. Ihre Uraufführung hatte sie daher im 1979 gegründeten P.S. 122, einem der wichtigsten Spielorte für Performancekunst in New York, und wurde auch auf der dOCUMENTA 2013 in Kassel gezeigt.

Nachdem Mroué schon 2008 mit »Theater with dirty feet« im Hebbel am Ufer zu Gast war, stellt er nun wiederum im HAU an vier Abenden eine neue Arbeit seines semidokumentarischen Theaters vor. »Riding on a cloud« geht vom verblichenen Foto eines Gitarre spielenden Jungen aus und lässt weitere Bilder folgen: aus der Kindheit, von seiner Familie, der Heimatstadt Beirut. Wie aber findet Erinnerung statt, wenn nur mehr Bilder existieren, ohne dass sie sich zu lebendigen Szenen verbinden? Wenn das Persönliche ganz stark vom Politischen beeinflusst wird? Dazu holt der mittlerweile zwischen Beirut und Berlin pendelnde Mroué seinen Bruder auf die Szene. Yasser wurde im libanesischen Bürgerkrieg verletzt und hat darüber die Fähigkeit verloren, richtig zu sprechen. Seither artikuliert er sich über Videofilme, die zusammen mit seinen Berichten einen subjektiven Eindruck gesellschaftlicher Entwicklungen in Libanon vermitteln. »Riding on a cloud« wird so zur fragilen Biografie, die sich aus politischer Realität, persönlicher Erinnerung und Wunschvorstellungen speist - und gleichsam ein Stück künstlerischer Selbstreflexion ist. In arabischer Sprache mit deutschen Untertiteln.

15. bis 18. Januar., HAU3, Tempelhofer Ufer 10, Kreuzberg, Kartentelefon: (030) 259 004 27, www.hebbel-am-ufer.de

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