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Ausgerüstet wie für eine Schlacht

Woher bekamen die Attentäter von Paris ihre Waffen? Bürgerkriege bieten Nachschub

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Attentäter waren ausgerüstet wie für eine Feldschlacht. Die französischen Ermittler wundern sich nicht über das Arsenal, das den Terroristen zur Verfügung stand - was eigentlich kein gutes Zeichen ist.

Bei ihrer Killermission hatten Chérif und Said Kouachi sowie ihr Terrorkumpane Amedy Coulibaly schweres Kriegsgerät dabei: Kalaschnikow- und Skorpion-Maschinenpistolen, Tokarew-Pistolen, Scharfschützengewehre, Raketenwerfer, Hand- und Rauchgranaten, zivilen und militärischen Semtex-Sprengstoff ... Coulibaly zeigte sich überdies in einer Schutzweste, die einst die Bundeswehr produzieren ließ. Es gibt Militäreinheiten, die sind wesentlich schlechter bewaffnet.

Doch Waffen wie diese seien bei den sogenannten Banlieue-Gangs, also den Verbrechertrupps aus den Vorstädten, nicht so selten anzutreffen, wie man glauben möchte, ließ sich die französische Nachrichtenagentur AFP von einem Experten erklären. Die Einkaufsliste ist bekannt: Eine Kalaschnikow-MPi kostet auf dem Schwarzmarkt 1000 bis 2000 Euro, je nach Zustand und Herkunft. Eine wesentlich handlichere Skorpion-Maschinenpistole ist für 1500 Euro zu haben und ein Raketenwerfer für 2000 Euro.

Schon vor Jahren wollten die Stadtoberen der französischen Mittelmeerstadt Marseille Militär einsetzen, um die mit solchen Waffen geführten Drogenkriege einzudämmen. Die Situation in der zweitgrößten Stadt Frankreichs drohte außer Kontrolle zu geraten. Die Stadtkriege wurden und werden weiter mit aller Härte und ohne Erbarmen geführt. Oft hat die Polizei das Nachsehen, weil selbst deren Spezialeinheiten keine Waffengleichheit herstellen können.

Bereits vor drei Jahren schätzten französische Ermittler, dass in den französischen Vorstädten rund 15 000 Kalaschnikows kursieren. Die Infanteriewaffen kommen im Drogenmilieu aber auch bei Überfällen auf Geschäfte und Geldtransporter zum Einsatz.

Die jüngsten Anschläge gegen Journalisten des Satiremagazins »Charlie Hebdo«, gegen Polizisten und die Kunden eines jüdischen Supermarktes, bei denen 17 unschuldige Menschen umgebracht worden waren, haben gezeigt, dass es mannigfache Berührungspunkte und Überschneidungen zwischen der »normalen« Organisierten Kriminalität und Terrorzellen gibt.

Die meisten Kriegswaffen wurden vermutlich vom Balkan geschmuggelt. Dort gibt es seit den diversen Kriegen der 90er Jahren noch immer riesige Bestände von Schnellfeuerwaffen. Was nicht im großen Stil beispielsweise nach Syrien zu den dortigen »Rebellen« geschmuggelt wurde, gelangt noch immer nach der Ameisenmethode per Lkw oder übers Mittelmeer nach Westeuropa. Frankreich hat eine recht lange und unkontrollierte Küstenlinie mit zahlreichen kleinen Häfen. So kommt auch mancherlei Nachschub aus Ländern des sogenannten arabischen Frühlings ins Land. Ähnlich überschwemmt mit Bürgerkriegswaffen ist in der Mittelmeerregion nur Griechenland. Die dort illegal verkauften Kriegswaffen stammten zumeist aus Albanien.

Sicher sind die französischen Verhältnisse in vielerlei Hinsicht nicht auf Deutschland übertragbar. Doch auch hier stößt die Polizei mehr oder weniger zufällig auf illegale Kriegswaffenarsenale. Viele Waffen samt Munition gerieten beim Rückzug der russischen Truppen in falsche Hände, andere haben die bekannte Ex-Jugoslawien-Herkunft. Auch im rechtsextremen Umfeld der NSU-Terrorgruppe finden sich Balkansöldner. Im ausgebrannten Wohnmobil der mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt stellte die Polizei eine kroatische Piter-Maschinenpistole sicher. Zufall? Dazu verfügten die Neonazis über Armeepistolen vom Typ Tokarew und Radom, mit denen in Heilbronn die Polizistin Michèle Kiesewetter umgebracht und ihr Kollege Martin Arnold schwer verletzt wurden.

Auch wenn derzeit in der Ostukraine noch alle Waffen gebraucht werden, so muss man bereits jetzt daran denken, dass der Schwarzmarkterlös in Deutschland um ein Vielfaches höher sein wird, als in Osteuropa. Sicher ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis von der Bundeswehr an kurdische Peschmerga gelieferte Kriegswaffen wieder in Westeuropa und auch in ihrem Herstellungsland Deutschland auftauchen.

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