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Wasserrebell gab seinen Personalausweis ab

Peter Kunert aus Markgrafpieske möchte die Versteigerung seines Hauses wegen nicht bezahlter Rechnungen abwenden

  • Sybille Gurack
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit nunmehr 18 Jahren weigert sich Peter Kunert, Gebühren für einen Wasserzähler zu entrichten, den er gar nicht hat.

Am Donnerstag um 14 Uhr erfährt Peter Kunert im Amtsgericht Frankfurt (Oder), ob sein Haus versteigert wurde und wer den Zuschlag erhielt. Zum Versteigerungstermin am 26. November 2014 waren drei Interessenten erschienen. Sie hatten ein Drittel der Schätzsumme (91 000 Euro) vorzulegen.

Das 1906 erbaute Haus befindet sich auf einem 1565 Quadratmeter großen Grundstück in Markgrafpieske. In den Unterlagen ist als Baujahr des Hauses fälschlicherweise 1936 angegeben. Bereits seit 1997 streitet Peter Kunert mit dem Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Fürstenwalde und Umland über alte Rechnungen. Die Zwangsvollstreckung ist schon lange angedroht. Peter Kunert - 70 Jahre alt und schwerbehindert - hat in den vergangenen Jahren wohl alles unternommen, um das Unglück abzuwenden. Ein Ende der Auseinandersetzung ist nicht in Sicht.

1996 konnte der nach einem Unfall im Krankenhaus behandelte Mann seine Wasserrechnung nicht bezahlen. Kurzerhand stellte der Zweckverband das Wasser ab und baute auch die Wasseruhr aus. Der Mann nutzte deshalb fortan seine alte Hauswasseranlage.

Sich auf den geltenden Benutzungszwang für den Wasseranschluss berufend, berechnete der Zweckverband, obwohl doch kein Wasser floss, regelmäßig Gebühren für den Anschluss und für einen Zähler. Kunert zahlte nicht. Es kamen also Mahngebühren und schließlich Gerichtskosten hinzu. Auf diesem Wege haben sich 70 000 Euro angehäuft.

Was der Rentner allein in den letzten 20 Tagen unternahm, um die Versteigerung des von seinen Eltern geerbten Hauses zu verhindern: Unmittelbar vor dem Versteigerungstermin am 26. November vergangenen Jahres stellte er einen Befangenheitsantrag sowohl gegen den Auktionator als auch gegen den Richter. Diese durften infolge dessen zwar die Versteigerung durchführen, aber keinen Zuschlag erteilen.

Am selben Tag beantragte Herr Kunert eine Mediation bei Fürstenwaldes Bürgermeister Hans-Ulrich Hengst, der zugleich Vorsteher des kommunalen Zweckverbandes ist, und beim Amtsgericht Frankfurt (Oder). Beide haben bis heute nicht reagiert. Am 31. Dezember legte der Rentner seine dritte Beschwerde gegen die Vollstreckungsmaßnahme beim Landgericht ein. Auch von dieser Seite erhielt er bis heute nicht einmal eine Eingangsbestätigung. Am 7. Januar schickte Kunert eine weitere Verfassungsbeschwerde ab. Er fordert darin, das gerichtliche Prozedere zu stoppen und neu zu prüfen. Denn Folgendes wurde bislang überhaupt noch nicht berücksichtigt:

Kunerts Rechtsanwalt Ewald Pydde hat den Spieß umgedreht und gegen den Zweckverband geklagt. Pydde beruft sich dabei auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtes vom Februar 2013, wonach der Zweckverband tatsächlich über sechs Jahre keine gültige Satzung hatte. Das bedeutet unter anderem, dass Bescheide aus dieser Zeit lediglich den Status von Rechnungen haben und verjährt sind, was Kunerts vermeintlichen Schuldenberg wesentlich minimiert.

Benannt hat Kunert in der Verfassungsbeschwerde auch sein Recht auf Gleichbehandlung. Denn andere Personen, die sich im Rechtsstreit mit dem Zweckverband befinden, ist Mediation zur Problemlösung angeboten worden.

In seiner Verzweiflung hat Kunert am 8. Januar 2015 im Amt Spreenhagen seinen Personalausweis abgegeben und damit darauf verzichtet, als Bürger der Bundesrepublik Deutschland zu gelten. Anschließend beantragte Kunert in der Ausländerbehörde des Landkreises Oder-Spree ein Ersatzpapier, das ihn als deutschen Bürger ausweist. Bei diesem Vorgehen beruft er sich auf das Haager Abkommen von 1924, das Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg als besetztes Gebiet klassifizierte, in dem weder geplündert noch enteignet werden dürfe. Mit seinem Manöver möchte Kunert die Wegnahme seines Hauses verhindern oder wenigstens aufschieben. Den Tipp, doch den Personalausweis abzugeben, hat Kunert von einem ominösen Anrufer aus Dresden erhalten, der von seinem Fall gehört hatte.

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