Rebell und Romantiker

Kritische Gruppenbilder, instabile Sowjetsoldaten - mit Thomas Ziegler starb ein ungewöhnlicher Künstler

  • Doris Weilandt, Jena
  • Lesedauer: 3 Min.
In der DDR unbequem, im Westen von der Kunstgeschichte ignoriert: Der Maler Thomas Ziegler stand «Für Rebellion, gegen Verzwergung und designtes Weideglück». Im Alter von 67 Jahren ist er nun gestorben.

Wer ihm einmal begegnet ist, wird seine vitale Lebenskraft nicht vergessen und seine Bilder. Thomas Ziegler war ein leidenschaftlicher Maler, der sich intensiv mit seinen Bildgegenständen auseinandersetzte. Weithin bekannt wurde er mit dem vierteiligen Werk «Sowjetische Soldaten 1987», das auf der X. Kunstausstellung der DDR in Dresden für heftige Diskussionen sorgte. Die jungen Männer in Uniform blicken nachdenklich auf ihre Betrachter. Die Ruhe ihrer Körperhaltung steht im Kontrast zu den fragilen Sitzpositionen, die sie einnehmen. Jeden Moment können sie stürzen.

Der Zyklus spiegelt die Auseinandersetzung des Malers mit Gorbatschows Perestroika und zugleich auch das Schicksal seines Schöpfers. Mit der ersten und einzigen Ausstellung von DDR-Künstlern in den USA «Twelve artists from the GDR» wanderten die Sowjetsoldaten durch Museen in mehreren Bundesstaaten. Dann verschwanden sie im Kunstarchiv Beeskow (Brandenburg) als sozialistische Auftragskunst.

Gegen den Begriff Auftragskunst hat sich Ziegler immer gewehrt - für ihn war er eine Pauschalverurteilung in der DDR entstandener Bilder. Zur Weimarer Ausstellung «Aufstieg und Fall der Moderne» (Teil III: «Offiziell und Inoffiziell - Die Kunst der DDR, 1999) wurden sie aus dem Depot geholt, um sie - ohne Verständnis für den Inhalt - zusammen mit Dutzenden weiterer Bilder zu diffamieren. Zur erneuten Betrachtung von DDR-Kunst unter dem Titel »Abschied von Ikarus« (2012/13) wurde der Künstler nicht nach Weimar eingeladen.

Thomas Ziegler, 1947 im sächsischen Limbach geboren, studierte nach einem Ausflug in die Jenaer Sozialpsychologie an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst Malerei bei Werner Tübke und Rolf Kuhrt. In altmeisterlicher Lasurtechnik und mit naivem Gestus beschäftigt er sich in den ersten Jahren mit Menschen unterschiedlichsten Alters. Entstanden sind vor allem sozialkritische Gruppenbilder, Arbeiten zum Thema Freundschaft, aber auch Selbstdarstellungen. Das Gemälde »Selbstbildnis im Leipziger Atelier« von 1979, auf dem neben dem Maler auch Zitate eigener Arbeiten zu sehen sind, wurde auf der XII. Biennale de Paris im Centre George Pompidou ausgestellt.

1987 reiste Ziegler für neun Monate nach Nikaragua. Dort arbeitete er mit Kulturminister Ernesto Cardenal und der Kunsthochschule Managua zusammen. Für den Maler veränderte sich in der Folge viel. Nach dem Aufenthalt initiierte er im Verband Bildender Künstler das Projekt Nikaragua, ein internationales Netzwerk, das den Austausch unter Künstlern befördern sollte. Eine Idee, die an den politischen Verhältnissen scheiterte. Künstlerisch wandte Ziegler sich endgültig dem Surrealismus zu. Während die ersten Arbeiten noch unter dem Einfluss mittelamerikanischer Kultur standen, entwickelte er zunehmend einen eigenen Farb- und Formenkanon, in dem die Landschaft eine große Rolle spielte. Als Pleinairmaler entdeckte er in den frühen 1990er Jahren die Ostsee, ihre Wildheit und das elementare Ausgeliefertsein in der Größe eines Naturraumes, der - mit mehreren Stationen - seine Heimat wurde. Lichtdurchflutet und voller Geheimnisse sind dagegen seine französischen Landschaften.

In den letzten Jahren beschäftigte sich der Künstler mit der Romantik. Erste Ergebnisse dieser Auseinandersetzung vertrat Ziegler zusammen mit Sylvester Antony in einer Ausstellung im letzten Herbst in Schwerin. Dort gab er sich im Sinne der Frühromantiker kämpferisch: »Für Rebellion, gegen Verzwergung und designtes Weideglück«. Doch Hinweise auch auf den Tod finden sich in einigen Arbeiten: tote Vögel auf rotem Grund, Schädel und andere Vanitas-Symbole.

Im Zentrum des Bildes »Requiem« steht eine strohgedeckte Hütte, ihr Inneres ist völlig dunkel bis auf den Nachen, der eine Überfahrt andeutet. Thomas Ziegler ist am 31. Dezember in Netzeband bei Katzow gestorben. Die Würdigung seines gesamten Schaffens steht noch aus.

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