»Bündnis der Freien« erteilt Ausreiseverbot

Nach Mahnwache gegen Terror beschließt Kabinett Passentzug für Islamisten

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

10 000 Menschen hatten sich am Dienstagabend vor dem Brandenburger Tor versammelt, um sich an der Mahnwache für die Opfer des Terrors in Paris zu beteiligen. Dazu aufgerufen hatte der Zentralrat der Muslime. Dessen Vorsitzender, Aiman Mazyek, hatte vor Veranstaltungsbeginn einen Trauerkranz vor der Französischen Botschaft am Pariser Platz niedergelegt. In seiner Rede vor den Demonstranten verurteilte er im Namen aller Muslime die Taten der Islamisten. In Anlehnung an eine Sure des Korans sagte er: »Wer einen Menschen tötet, tötet die gesamt Menschheit.« Neben Mazyek fanden sich auch Vertreter aller anderen monotheistischen Religionen sowie das Bundeskabinett und Oppositionspolitiker auf der Bühne.

Hinter den Kulissen gab es offenbar heftige Kontroversen. Wie die »Frankfurter Rundschau« berichtete, kam aus vielen Moscheeverbänden Kritik am Alleingang von Aiman Mayzek. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime soll ohne Rücksprache mit den Verbänden, die vom Zentralrat vertreten werden, zu der Mahnwache aufgerufen haben. Zudem soll das Bundesinnenministerium Druck auf die übrigen Moscheeverbände ausgeübt haben, um sie an einer Teilnahme an der Mahnwache zu bewegen, wie die »Frankfurter Rundschau« in ihrer Online-Ausgabe kolportierte. Vielleicht war das auch der Grund, warum sich nur wenige Muslime unter den Demonstranten fanden. Dafür fielen dort viele Verschwörungstheoretiker auf, die die Anschläge als »False Flag Operation« westlicher Geheimdienste bezeichneten.

Davon unbeeindruckt gab sich auf dem Podium Bundespräsident Joachim Gauck. In seinem Redebeitrag rief er alle Bürger dazu auf, sich für Demokratie und Weltoffenheit einzusetzen. »Wir alle sind Deutschland«, sagte Gauck. »Wir schenken Euch nicht unsere Angst. Euer Hass ist unser Ansporn.« Dann erklärte er die westliche Welt zum »Bündnis der Freien und Friedfertigen«.

Dass diese Freiheit Grenzen hat, demonstrierte das Bundeskabinett am Mittwoch und beschloss, Extremisten künftig mit einem Entzug des Personalausweises an der Ausreise zu hindern. Verdächtige Islamisten sollten stattdessen einen Ersatzausweis erhalten, mit dem sie Deutschland nicht verlassen dürfen. So will man verhindern, dass junge Fanatiker für den Islamischen Staat in Syrien und Irak kämpfen. Wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte, soll das Ersatzdokument zusätzlich einen Ausreise-Sperrvermerk tragen. »Damit weiß jeder Grenzbeamte im Schengen-Außengebiet - ob in Griechenland, in Finnland, in Dänemark oder sonstwo - um wen es geht und das dient der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.« Nach Angaben des Ministers reisten bislang etwa 600 meist junge Männer aus Deutschland nach Syrien und Irak. 150 bis 180 Radikale seien nach Deutschland zurückgekehrt, 30 davon als »kampferprobte Fundamentalisten«.

Kritik an dem Ausreiseverbot kam am Mittwoch von der Opposition. Als »unverhältnismäßig und nutzlos« bezeichnete die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, den Beschluss. »Wer ausreisen will, kann daran effektiv kaum gehindert werden«, unterstrich Jelpke.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal