Kopacz unter dem Streik-Kreuz

Polens Kumpel protestieren gegen »Reform« mit Grubenschließungen

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.
Dem polnischen Steinkohlebergbau droht ein weiteres Zechensterben und der Regierung in Warschau ein handfester Konflikt.

Die seit einer Woche anhaltende Streikwelle im den oberschlesischen Steinkohlerevieren Polens weitet sich aus. Am Mittwoch dauerten heftige Proteste in allen 13 Gruben der Katowicer Kohle-Kompanie an. Es schlossen sich nun auch die Kumpel der südlich der Region um Jastrzebie liegenden Bergwerke an. Fast 70 Prozent der Polen unterstützen laut der jüngsten Meinungsumfrage die ablehnende Haltung der Bergarbeiter gegenüber Reformplänen der Regierung, die auf die Liquidierung von vier Betrieben abzielen.

»Solidarnosc«-Chef Piotr Duda warnte Dienstagabend, den Bergarbeitern könnten bald Eisenbahner, Postangestellte, Beschäftigte im Energiesektor und auch Belegschaften der Rüstungsindustrie folgen. Für Regierungschefin Ewa Kopacz wird die sozialpolitische Lage im Lande brenzlig. Ihre Verhandlungen mit Vertretern der Bergbaugewerkschaften, die den ganzen Dienstag in Katowice andauerten, sind gescheitert.

Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski, Chef der Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) warf der Regierung fehlende Sachkompetenz für die Lösung der Energetikprobleme vor. Erst nach dem Wahlsieg der PiS im Herbst sei dies in Sicht. Donald Tusk, sieben Jahre lang Premier und derzeit Präsident des Europäischen Rates, der die Probleme vor sich her geschoben hatte, zeigte sich wenig beeindruckt. Jeder müsse halt sein Kreuz tragen.

Staatspräsident Bronislaw Komorowski, der von Frauen der unter Tage streikenden Kumpels aus dem Bytom-Revier um Hilfe in dem Konflikt gebeten wurde, lehnte ein Treffen mit den um die Existenz ihrer Familien bangenden Frauen ab. Er verwies sie an die »First Lady«. Diese empfing die Delegation mit Blumen.

Die ökonomische Lage im polnischen Steinkohlebergbau ist seit der Wendezeit prekär und wurde immer kritischer. Polens Energetik, zu über 90 Prozent auf Kohle basierend, erlebte schon mehrere Reformen. In deren Folge ging die Beschäftigung um mehr als die Hälfte zurück.

Nun sind in den vier zur Schließung vorgesehenen Bergwerken über 5000 Arbeitsplätze bedroht. Werden die Zulieferfirmen mitgerechnet, geht es um etwa 50 000 Stellen. Frau Kopacz beteuerte, die Regierung werde sich darum kümmern, dass für »fast alle« unter Tage fördernden Kumpel in anderen Gruben Beschäftigung gefunden werde. Aber das glaubt ihr nach den Erfahrungen der zwei Nachwendejahrzehnte niemand. Das gilt wohl auch für sie selbst.

Dennoch ist sie entschlossen, den Reformplan durchzupauken, koste es sogar ihren Posten. Man könne ja nicht ewig die unrentablen Betriebe, die Hunderte Millionen Verlust einfahren, aufrechterhalten. Wie Krzysztof Sedzikowski, Präsident der Kohle-Kompanie, informierte, verfüge das Unternehmen momentan nur über etwa 100 Millionen Zloty, die fällige Lohnauszahlung sei bedroht und vom 14. Monatslohn könne überhaupt keine Rede sein.

Neu in den Kommentaren zur Lage ist, dass eine Rettung des Steinkohlebergbaus dessen Privatisierung sein könnte. Eine Alternative zur Rettung der Existenz der Familien sehen viele Kumpel in den »Armenstollen« - wie im ehemaligen und nun völlig verschwundenen Revier um Walbrzych in Niederschlesien, wo Kohle in selbst gegrabenen Stollen illegal abgebaut wird. Wie dort wird dann auch andernorts die Polizei zum Einsatz kommen.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal