Straßenprotest für Richtungswechsel in der Agarpolitik

Seit fünf Jahren protestieren Bauern, Umweltschützer und Verbraucher anlässlich der Internationalen Grünen Woche gegen industrielle Landwirtschaft

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Zahl der Unzufriedenen wächst, Ernährungsbranche und Landwirtschaft stehen immer mehr im Fokus. Was hat die Bewegung für eine Agrarwende bisher erreicht?

Als vor fünf Jahren statt der erwarteten 5000 rund 20 000 Teilnehmer kamen, war die Überraschung der Organisatoren groß. Noch unter dem Eindruck des Dioxinskandals versammelten sich Bauernorganisationen, Verbraucher- Umwelt- und Tierschützer in Berlin unter dem Motto »Wir haben es satt«, um für eine Wende in der Agrarpolitik zu demonstrieren. In den vergangenen Jahren wuchs nicht nur die Teilnehmerzahl der jährlichen Demonstration anlässlich der Internationalen Grünen Woche. Inzwischen haben sich zahlreiche regionale Bündnisse gegründet, rund 100 Megaställe wurden verhindert, in mehreren Bundesländern hat eine vorsichtige Wende in der Agrarpolitik eingesetzt.

»Wir brauchen einen Systemwechsel«, hatte Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundesverbandes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft, den Protestlern 2011 zugerufen. Trotz aller Erfolge, von diesem Ziel ist die Bewegung noch weit entfernt.

Nach Ansicht des Aktionsbündnisses »Grüne Woche demaskieren« liegt dies auch immanent an den Forderungen des gesellschaftlich breit aufgestellten Bündnisses. »Es ist gut, dass es diese Demonstration gibt«, sagt Sandra Franz, eine der Sprecherinnen. »Aber es ist naiv zu glauben, dass ein grundlegender Wechsel hin zu einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft innerhalb des kapitalistischen Systems gelingen kann.« Die Tierrechtler kritisieren zudem, dass die Verbesserung der Tierhaltung gefordert wird, statt deren Abschaffung. Die jährliche Demonstration sei zudem nur erfolgreich, weil viele kleine Gruppen über das Jahr verteilt aktiv seien. Das Aktionsbündnis setzt auf direkte Aktionen, will sich aber mit einem eigenen Block an der Demonstration beteiligen.

Zwar liegen die inhaltlichen Positionen bei der Tierhaltung weit auseinander, Massenställe jedoch lehnen beide Gruppen ab. »Wir halten diese Widersprüche aus«, sagt Reinhild Benning, Landwirtschaftsexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz. Für sie kann die Bewegung durchaus Erfolge aufweisen. So sei beispielsweise der Fleischkonsum in Deutschland um rund drei Kilo zurückgegangen, zudem erschwere das neue Baugesetzbuch die Genehmigung von Massenställen. Letzteres unterstütze besonders die zahlreichen regionalen Initiativen und Gemeinden.

Auf diese setzt das Bündnis »Meine Landwirtschaft« ebenso wie die Tierrechtler. »Der Widerstand vor Ort ist entscheidend«, sagt Benning. Und der wächst. Waren es 2011 noch etwa 30 Bürgerinitiativen gegen Massentierhaltung, so zählt das Bündnis heute 250.

Zu dieser Basis gehören aber nicht nur Proteste, die Bewegung für eine Agrarwende steht auch für Alternativen. So entschließen sich immer mehr Verbraucher, ihre Lebensmittel über Food-Coops oder Projekte der Solidarischen Landwirtschaft zu beziehen. Stadtgärten sind hip, Ernährungsfragen Mainstream.

Für Jochen Fritz ist das ein Erfolg. Der Koordinator von »Meine Landwirtschaft« ist von Beginn an dabei. Im Vergleich zur Anti-AKW-Bewegung gehe es bei der Agrarwende nicht nur »um ein paar AKW, die abgeschaltet werden müssen«, so Fritz. Und auch das habe 30 Jahre gedauert. Fritz ist sicher: »Die Bewegung ist nicht mehr von der politischen Landkarte zu wischen.« Zwar fehle gerade bei der Bundesregierung der Wille zu tatsächlichen Veränderungen, doch »wir werden ernst genommen«.

Ob die Teilnehmerzahl weiter wachsen wird, mag er indes nicht prophezeien. Die Zahl der Landwirte, die mit ihren Traktoren auch in diesem Jahr wieder an der Spitze der Demonstration fahren werden, sei aber gleich geblieben. Damit laufen die Versuche des Deutschen Bauernverbandes, die Bewegung als bauernfeindlich zu diskreditieren, ins Leere. Nachdem die Demonstration in ihren Anfängen ignoriert wurde, wird es in diesem Jahr erstmals eine Gegendemonstration geben unter dem Motto: »Wir machen euch satt«. Initiiert ist diese von Landwirten, unterstützt vom Deutschen Bauernverband. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sieht das gelassen. »Wir laden alle ein, sich selbst ein Bild zu machen, statt gegen uns zu hetzen«, sagte Georg Janßen, Geschäftsführer der AbL. Der alternative, kleinbäuerlich geprägte Bauernverband ist Teil des Bündnisses für eine Agrarwende. Für Janßen liegt der größte Erfolg der Bewegung darin, dass »endlich wieder über kleinbäuerliche Landwirtschaft gesprochen und Agrarpolitik zugespitzt wird auf Bauernhöfe statt Agrarfabriken«.

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