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Neun-Punkte-Plan gegen Terror

Kanzlerin will verstärkt gegen Islamisten vorgehen, nicht alles davon ist grundgesetzkonform

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Angela Merkel nutzte ihre Regierungserklärung auch als Kampfansage gegen Fanatiker. Linksfraktionschef Gregor Gysi erinnerte an die Mitschuld des Westens bei der Entstehung des Terrors.

G7-Gipfel, Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs oder die Krise in der Ukraine - es müssen schon einschneidende Ereignisse eintreten oder sich jähren, damit die Kanzlerin persönlich aufs Podium des Bundestages tritt, um eine Regierungserklärung abzugeben. Am Donnerstag war der Terror von Paris der traurige Anlass. Die Kanzlerin trat, dem Anlass angemessen, in einem schwarzem Kostüm hinter das Rednerpult und betonte: »Wir garantieren, dass der Glaube des Islam in Deutschland im Rahmen der Verfassung und der übrigen Gesetze frei ausgeübt werden kann.« Die Regierungschefin verwahrte gegen »Diskriminierung und Ausgrenzung« von Muslimen: »Jeder Generalverdacht verbietet sich.«

Im gleichen Atemzug unterstrich sie aber, dass die Bundesregierung »jede Form islamistischer Gewalt mit der ganzen Entschlossenheit unseres Rechtsstaates« bekämpfen werde. Sie beließ es nicht nur bei unverfänglicher Rhetorik, sondern stellte ihren Neun-Punkte-Plan gegen den Terror vor. Neben den bereits vom Kabinett verabschiedeten Ausreiseverboten für mutmaßliche Islamisten soll auch die Terrorfinanzierung besser bekämpft werden. Die internationale Zusammenarbeit der Geheimdienste soll vertieft werden. Die Kooperation sei »absolut unverzichtbar«. Was die Kanzlerin verschwieg: Seit Jahren läuft diese stille Kooperation auf Hochtouren. So landen etwa die Handydaten, die deutsche Dienste in Afghanistan sammeln, bei US-amerikanischen Drohnenpiloten und dienen so dem Eliminieren mutmaßlicher Taliban.

Weiterhin, so die Kanzlerin, werde sich Deutschland am Kampf gegen die Terrormiliz IS in Irak und Syrien beteiligen. Wobei sich Merkel schnell korrigierte und erklärte, dass die Bundeswehr in Syrien nicht eingreifen werde. Aber vielleicht hat sie das unbeabsichtigterweise bereits getan, denn niemand weiß, wo die Waffen, die die deutsche Armee an die irakischen Kurden liefert, tatsächlich eingesetzt werden. Selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hält den geplanten Einsatz von 100 Bundeswehrsoldaten in Nordirak für »verfassungsrechtlich bedenklich«, wie »Spiegel Online« unter Verweis auf das Gutachten am Donnerstag meldete.

Doch in Zeiten des Terrors wird das Grundgesetz eben großzügiger ausgelegt. Und so nutzte Merkel ihre Rede auch, um noch einmal die Trommel zu rühren für die Wiedereinführung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutsche Umsetzung der anlasslosen Speicherung von Telekommunikationsdaten bereits 2010 als grundgesetzwidrig kassiert.

Linksfraktionschef Gregor Gysi, der im Anschluss an Merkel sprach, plädierte hingegen dafür, statt Überwachungsmaßnahmen weiter auszubauen, besser die Ursachen des Terrors zu bekämpfen. »Wir müssen weltweit für die Achtung des Rechts auf Leben eintreten«, so Gysi. »Im Krieg wird Leben vernichtet. Dadurch entsteht eine Verachtung des Rechts auf Leben. Und diese Verachtung ist eine Bedingung des Terrorismus.« Gysi erklärte die Strategie von Nato und USA, Regimewechsel durch Krieg herbeizuführen, als gescheitert. »Al Qaida und Islamischer Staat waren auch die Folge und Produkte von Militärinterventionen«. Als Ursachen für die Entstehung der Terrororganisationen nannte er unter anderem die Waffenlieferungen in den syrischen Bürgerkrieg und die Intervention der USA und einiger Verbündeter 2003 im Irak. »Ohne die genannte falsche Aufrüstung in Syrien, ohne den falschen Irak-Krieg, gäbe es den Islamischen Staat nicht - zumindest nicht so, wie er heute existiert.«

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach sich ebenfalls gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung aus. »Wenn die Freiheit angegriffen wird, dürfen wir nicht die Freiheit freiwillig aufgeben«, so Hofreiter. SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich hingegen offen für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Unter bestimmten Bedingungen könne sie ein »geeignetes Instrument« sein, so Gabriel gegenüber der »Süddeutschen Zeitung«.

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