nd-aktuell.de / 19.01.2015 / Kultur / Seite 4

Etwas, das da ist

Günter Figal, Philosoph, mag Heideggers Antisemitismus nicht

Thomas Blum

Martin Heidegger ist kein Unbekannter. Er ist der Alm-Öhi der deutschen Philosophie. Auch das Doktrinäre und die Verquastheit seines Denkens sind legendär. Oder wie der Schriftsteller Thomas Bernhard es einmal einer seiner literarischen Figuren in den Mund gelegt hat: Heidegger ist »der Pantoffel- und Schlafhaubenphilosoph der Deutschen« bzw. »der für den deutschen Philosophieappetit besonders gut geeignete Mittagstischphilosoph direkt aus der Gelehrtenpfanne«. Schöner kann man eigentlich gar nicht über den Eigentlichkeitsonkel Heidegger urteilen.

Einer, der bisher als Experte für das Werk des gefürchteten und umstrittenen Schwafelkopfs galt, hat jetzt genug. Günter Figal sieht aus wie ein Bilderbuchprofessor und das ist er auch: Philosophieprofessor an der Universität Freiburg. Schon als junger Student hat er für Heideggers Philosophie geschwärmt und hat auch heute noch eine ganz wunderbare Kurzzusammenfassung von dessen Werk parat: »Selbst wenn man es nicht verstanden hat, man verstand, dass da etwas ist.«

Vergangene Woche hat er nun seinen Rücktritt vom Vorsitz der Martin-Heidegger-Gesellschaft bekanntgegeben. »Nach der Lektüre der Schwarzen Hefte, und zwar speziell der antisemitischen Passagen in den Schwarzen Heften«, wolle er nicht mehr Repräsentant dieses Vereins sein, sagte Figal. »Die Verstrickung Heideggers in den Nationalsozialismus ist viel größer, als wir bisher wissen konnten.« Überdies verhinderten die Erben Heideggers bis heute die Sichtung und Lektüre von Tausenden Manuskriptseiten, die im deutschen Literaturarchiv lagern. So werde eine kritische Forschung unmöglich gemacht. All das ist traurig genug.

Allerdings hätte jeder Mensch, den es interessiert, schon vor dem Erscheinen der letztes Jahr publizierten ersten Bände der sogenannten Schwarzen Hefte, in denen Heidegger beispielsweise die Frage stellt, »worin die eigentümliche Vorbestimmung der Judenschaft für das planetarische Verbrechertum begründet ist«, wissen können, was für eine Sorte Philosoph hier am Werk war.