nd-aktuell.de / 19.01.2015 / Politik

Keine Abschiebungen nach Ungarn

Berliner Gericht kritisiert Asylpraxis Ungarns und stoppt alle geplanten Abschiebungen

Laut Dublin III dürfen Geflüchtete Asyl nur in dem Land beantragen, welches sie als erstes betraten. Im Falle Ungarns änderte ein Deutsches Gericht diese Praxis. Zu unmenschlich ist dort der Umgang mit Flüchtlingen.

Berlin. Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Asylpraxis Ungarns scharf kritisiert und Abschiebungen in das EU-Land vorerst gestoppt. Zur Begründung hieß es in einem am Montag veröffentlichten Beschluss des Gerichts, Ungarn verstoße mit seiner Praxis, Asylbewerber »nahezu ausnahmslos in Asylhaft zu nehmen«, gegen die EU-Grundrechtecharta und das individuelle Recht auf Freiheit. Damit stoppte das Gericht in einem Eilverfahren die Überstellung eines syrischen Flüchtlings nach Ungarn.

Laut Verwaltungsgericht leidet das Asylverfahren in Ungarn an systemischen Mängeln. Aus dem gleichen Grund hatte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg bereits 2011 Abschiebungen innerhalb der EU nach Griechenland untersagt.

In seiner Beurteilung stützt sich das Gericht auf aktuelle Berichte unter anderem des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen, des Auswärtigen Amtes und der Nichtregierungsorganisation ProAsyl. Diese belegten, dass Ungarn Asylbewerber ohne Angabe von Gründen zum Teil bis zu sechs Monate inhaftiere, ohne dass dies tatsächlich notwendig sei.

Dies gelte vor allem für Ausländer, die aus anderen EU-Staaten nach Ungarn abgeschoben werden. Zudem werde Flüchtlingen die individuelle Überprüfung der Inhaftierung regelmäßig vorenthalten. Auch eine gesetzlich vorgesehene Kontrolle werde oftmals erst nach zwei Monaten durchgeführt und beschränke sich auf eine durchschnittlich nur drei Minuten dauernde Anhörung.

Nach den Regeln der sogenannten Dublin-III-Verordnung ist für innerhalb der EU gestellte Asylanträge grundsätzlich der Mitgliedstaat zuständig, den der Flüchtling als erstes betritt oder in dem er zuerst um Schutz nachsucht. Flüchtlinge, die anschließend in einem anderen EU-Mitgliedstaat Asyl beantragen, werden daher in der Regel an den Ersteinreisestaat verwiesen und können dorthin abgeschoben werden.

In Ausnahmefällen muss der zweite Mitgliedstaat das Asylverfahren selbst durchführen, etwa wenn das Asylverfahren im Erstaufnahmestaat an Mängeln leidet. Der Gerichtsbeschluss ist nicht anfechtbar, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts weiter. epd/nd