nd-aktuell.de / 22.01.2015 / Politik / Seite 7

Rückzug der Aufständischen angeboten

Russlands Außenminister lenkt vor dem Treffen in Berlin ein / Ukraine will Armee auf 250 000 Soldaten aufstocken

Klaus Joachim Herrmann
Rückzug und Aufrüstung, Zuversicht und Zweifel - zum neuen Treffen der Außenminister schien der ukrainische Konflikt kaum lösbar.

Eine wichtige Botschaft des russischen Außenministers Sergej Lawrow kam am Mittwoch aus dem ukrainischen Konfliktgebiet. Die Aufständischen seien bereit, so verbreitete TASS von der Moskauer Jahrespressekonferenz des Chefdiplomaten, Gelände aufzugeben und ihre Waffen auf die von Kiew gewünschte Linie zurückzuziehen. Weiteres sei jetzt Sache der ukrainischen Regierung. Moskau erklärte sich zu einer Regelung des Konfliktes in jedem Format bereit, das für Kiew und die Vertreter der südöstlichen Ukraine annehmbar sei. Der Konflikt solle unter Beibehaltung der »territorialen Vollständigkeit« der Ukraine gelöst werden.

»Wir fühlen«, baute der Chef des Außenamtes am Smolensker Platz schon fast demonstrativ eine Brücke, dass der ukrainische Präsident Petro Poroschenko bereit sei, den von Präsident Wladimir Putin vorgeschlagenen Truppenrückzug zu erörtern. Technische Fragen könnten gelöst werden. Für das abendliche Treffen mit den Außenministern Deutschlands, Frankreichs und der Ukraine in Berlin kündigte Lawrow an, Moskau werde sich für ein rasche Feuereinstellung einsetzen. Der Beschuss von Donezk und anderen Städten müsse eingestellt werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel blieb skeptisch. Es habe sich »herausgestellt, dass der Waffenstillstand brüchiger und brüchiger wird«. Sie meinte, »dass wir uns im Augenblick eher von dem Minsker Abkommen entfernen, als dass wir uns auf das Minsker Abkommen zu bewegen«.

Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin bezeichnete Lawrows Äußerungen zurückhaltend als »nützlich«, mahnte aber: »Russland muss die Minsker Vereinbarungen nicht mit friedlichen Worten, sondern mit friedlichen Taten bekräftigen.« Sein Präsident hatte gerade in der »Neuen Zürcher Zeitung« Europa zu mehr Unterstützung für sein Land aufgerufen. Die Armee der Ukraine sei ungeachtet des Minsker Waffenstillstandes im Osten des Landes mit Angriffen russischer Artillerie konfrontiert. Sie würden aber nicht nur ihr Land, sondern auch Europa verteidigen: »Denn die Frontlinie im Kampf um Europas Freiheit und Demokratie befindet sich in der Ukraine.«

Der Zeitung sagte er, zwischen 8000 und 9500 russische Soldaten würden sich nach Erkenntnissen von Geheimdiensten in der Ostukraine aufhalten. Er hoffe immer noch auf eine politische Lösung. Weil dafür auch eine starke Armee nötig sei, habe man die ukrainischen Streitkräfte verstärkt sowie besser mit Panzern und schweren Waffen ausgerüstet.

Die rasche Rückkehr des ukrainischen Präsidenten vom Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos noch am selben Tag kündigte des ukrainische Internetportal 112.ua unter Hinweis auf Poroschenkos Pressesekretär an. Grund sei die Verschärfung der Lage im Gebiet der »Anti-Terror-Operation«. Der Präsident, der zugleich Oberkommandierender ist, befinde sich in ständigem Kontakt mit der Armeeführung. Der Vorsitzende des Sicherheitsrates, Alexander Turtschinow, werde am Donnerstag in Donezk erwartet.

Die Armee der Ukraine soll neben der laufenden Teilmobilmachung zusätzlich verstärkt werden. So berichtete »Interfax-Ukraina« von der Kabinettssitzung in Kiew, dass Premier Arseni Jazenjuk gleich zu Eröffnung erklärt habe, der Personalbestand der Streitkräfte solle um 68 000 Mann auf künftig insgesamt 250 000 Soldaten erhöht werden. Dieser Gesetzentwurf sei »äußerst wichtig« und solle in der nächsten Parlamentssitzung behandelt werden. Wie er einräumte, leistet sich die Ukraine am Rande des Staatsbankrotts einen Militärhaushalt mit der »Rekordziffer von über 5,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes«. Vorgesehen seien im Staatshaushalt 90 Milliarden Griwna, rund 4,8 Milliarden Euro.