Thunfischzucht soll Sushi retten

Der Blauflossen-Thun ist vom Aussterben bedroht. In Japan, wo 70 Prozent des weltweiten Fangs konsumiert werden, läuft das erste Projekte zur Kommerzialisierung einer komplett nachhaltigen Zuchtmethode an. Von Susanne Steffen , Tokio

  • Susanne Steffen
  • Lesedauer: 3 Min.

Hundertfünfzig Millionen Yen hat der bislang teuerste Blauflossen-Thunfisch der Welt gekostet. Das ist eine Million Euro. Eine Fließband-Sushi-Kette hatte den 222 Kilogramm schweren Fisch bei der vorletzten Neujahrsauktion des Tokioter Fischmarkts erstanden. »Ich wollte meinen Kunden den besten Fisch bieten«, erklärte der Besitzer der Ladenkette auf die Frage, warum er den Rekordpreis ohne mit der Wimper zu zucken bezahlt hat.

Zwar erzielen die ersten Auktionen des neuen Jahres in Japan regelmäßig schwindelerregende Höchstpreise, doch angesichts der weltweit rasant schrumpfenden Bestände sorgen sich Nippons Verbraucher seit längerem, dass die begehrte Delikatesse bald nicht mehr für den Normalverbraucher erschwinglich sein wird. Ende vergangenen Jahres hat die Weltnaturschutzorganisation IUCN die nordpazifische Population auf ihrer roten Liste als »gefährdet« eingestuft, nachdem die Bestände in den vergangenen 22 Jahren um knapp ein Drittel geschrumpft sind.

Vor allem der Fang von Jungfischen für die großen Zuchtbetriebe habe der pazifischen Population die Chance zur Reproduktion genommen, warnte die in der Schweiz ansässige IUCN. Das sei der Hauptgrund für den dramatischen Rückgang der Bestände um 19 bis 33 Prozent in nur 22 Jahren. Bislang sind Zuchtbetriebe weltweit auf wildgefangene Jungtiere angewiesen, die dann in Becken gemästet werden. Seit Jahren suchen Forscher fieberhaft nach einer Alternative zu strengeren Fangquoten, welche unweigerlich die Verbraucherpreise weiter in die Höhe schießen lassen.

Vor zwölf Jahren war es der westjapanischen Kinki-Universität nach 30 Jahren Forschung zum weltweit ersten Mal gelungen, Thunfische in Gefangenschaft zum Laichen zu bringen, die Jungfische aufzuziehen und wieder zur Reproduktion zu bringen. Im nächsten Sommer wird die erste kommerzielle Thunfischzucht der Welt, die völlig auf Wildfänge verzichtet, in Japan ihren Betrieb aufnehmen. 15 Milliarden Yen will das zur Toyota-Gruppe gehörende Handelshaus Toyota Tsusho investieren, um bis 2019 zusammen mit der Kinki-Universität ein Zehntel des in Japan konsumierten Blauflossen-Thunfischs komplett nachhaltig zu produzieren. 100 000 Jungtiere sollen dann an konventionelle Züchter ausgeliefert werden, damit die nicht mehr auf Wildbestände zurückgreifen müssen.

Doch die Aufzucht der extrem empfindlichen Riesenfische ist schwierig. Nur knapp drei Prozent der geschlüpften Tiere überleben bis zum Jungfischalter. Bei den ersten Zuchterfolgen der Kinki-Universität waren es nicht einmal 0,1 Prozent. Angesichts der hohen Verlustrate rechnet Toyota-Tsusho-Chef Jun Karube auch nicht mit schnellen Gewinnen. »Der gesellschaftliche Wert unserer Fischzucht ist groß. Wir haben einen langen Atem und sind fest davon überzeugt, dass wir in fünf bis zehn Jahren in der Gewinnzone sind«, erklärte Karube kürzlich auf einer Pressekonferenz. Sollte das gelingen, will Karube die Produktion ausweiten. Auch an den Export der nachhaltigen Zuchtmethode denkt er bereits.

Geschmacklich stehen die vollständig in Gefangenschaft gezüchteten Thunfische ihren wilden Artgenossen in nichts nach. Mittlerweile haben die Forscher Methoden entwickelt, mit denen sie verhindern, dass die Tiere in ihren Zuchtbecken zu viel Fett ansetzen. Als die Kinki-Universität im vergangenen Jahr ihren ersten »Öko-Sushi«-Laden eröffnete, war der Andrang so groß, dass der selbst gezüchtete Thunfisch nach 15 Minuten bereits ausverkauft war. Noch immer stehen die Kunden Schlange, und der Laden ist längst zur lokalen Touristenattraktion geworden.

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