Erfolge, die kaum jemand sieht

Deutschlands Handballer im WM-Achtelfinale

  • Erik Eggers, Doha
  • Lesedauer: 3 Min.
Das DHB-Team ist die große Überraschungen des Turniers in Katar. Die Spiele locken aber nach wie vor kaum Zuschauer in die Hallen.

Ein Stündchen räkelten sie sich auf dem Liegestuhl am Strand. Und am Freitagnachmittag wagten die deutschen Handballprofis eine Wüstensafari im Jeep. »Leider darf ich nicht selber fahren«, sagte Oliver Roggisch, Teamchef der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB). Nach den vier schweren Gruppenspielen bei der 24. WM in Doha (Katar) war jedenfalls Regeneration angesagt. Sogar Bundestrainer Dagur Sigurdsson versprach lächelnd, auf den Laptop zu verzichten, mit dem sich der Isländer sonst auf die Spiele vorbereitet.

Es herrschte also nach dem 28:23 (13:14)-Erfolg gegen Argentinien eine entspannte Atmosphäre bei Trainer, Spielern und Funktionären. Zwar ist der Gruppensieg bei nun 7:1-Punkten noch nicht besiegelt. Eine ernsthafte Gefahr stellt der krasse Außenseiter Saudi-Arabien am Samstag aber nicht dar. Wenn die Saudis, das schwächste Team in Doha, nach dem Tod ihres Königs überhaupt antreten.

Zeit also für ein Zwischenfazit. Und das fiel sehr positiv aus, weil das DHB-Team neben Katar die größte Überraschung des Turniers darstellt. Siege gegen die starken Polen, Russen und Argentinier, dazu das 30:30-Remis gegen Vize-Europameister Dänemark - dabei hatte der neue Bundestrainer die Nationalmannschaft völlig neu formiert und stark verjüngt. »Der Mannschaft gebührt ein großes Lob. Sie repräsentiert den deutschen Handball sehr gut, ganz unabhängig von den Resultaten«, sagte DHB-Präsident Bernhard Bauer. Fast surreal mutete es an, dass die Nationalmannschaft, die beim WM-Playoff gegen Polen im Juni noch kollabierte und nur wegen einer Wildcard an der WM teilnehmen durfte, in nun vier Spielen eine ganze Reihe kritischer Phasen überstand, und zwar mit unterschiedlichen Profis in den Hauptrollen. Gegen Argentinien stabilisierten Keeper Carsten Lichtlein (Gummersbach) und Stefan Kneer (Löwen) nach schwacher erster Hälfte die Abwehr. »Wir haben die Ruhe bewahrt, das war wichtig«, sagte Lichtlein.

Bei einigen Profis, die im Juni noch stark in der Kritik standen, ist nun ein bisschen Genugtuung zu spüren. »Wir konnten diese Wildcardgeschichten ja nicht mehr hören«, sagte Jens Schöngarth (Lübbecke). »Wir sind doch als Loser hierhergekommen«, sagte Patrick Wiencek, der Kieler Kreisläufer. »Jetzt haben wir gezeigt, dass wir hierher gehören und auch Handball spielen können.« Klubkollege Steffen Weinhold, der im halbrechten Rückraum ein überragendes Turnier spielt, freilich warnte: »Natürlich läuft es gut. Aber wenn wir das Achtelfinale verlieren, nützt das alles nichts.«

Noch ist unklar, wer am Montag im Achtelfinale auf die Deutschen wartet, entweder Ägpyten, Tschechien oder Island. »Das ist auch fast egal«, sagte Weinhold. Allein aber gegen die physisch starken Afrikaner dürfte es eine würdige WM-Atmosphäre werden. Denn dann muss das deutsche Team auch gegen mindestens 5000 ägyptische Fans antreten.

Ansonsten droht auch in der Finalrunde eine Geisterkulisse wie in vielen Vorrundenspielen. Zwar hatte Dagur Sigurdsson vor dem Turnier betont, sich nicht durch äußere Einflüsse irritieren lassen zu wollen. Aber zum Beispiel der dänische Superstar Mikkel Hansen gab zu, dass es auch als Profi kompliziert sei, bei leeren Hallen die gewohnte Leistung abzurufen. Dabei gebe es eigentlich in der Wüste eine Fankultur, auch im Handball, sagt Hans-Dieter Gerber, stellvertretender Direktor des katarischen Sportmuseums. Sie sei nur anders. »Die Menschen hier unterhalten sich passioniert über Sport und haben ihre Lieblingsvereine und -athleten.« Aber sie gehen nicht in die Halle. »Stattdessen treffen sie sich in der Majlis (Wohnzimmer für Männer, d. Red.) bei jemandem zu Hause. Sie fahren in die Wüste oder an den Strand zu einem ihrer dauerhaft aufgestellten und gut eingerichteten Zelte.« Dort werde in großen Gruppen der Sport im vor dem Fernseher verfolgt. »Es wird gegrillt, gegessen, diskutiert, gelitten und gefeiert.«

Nur die Ansprüche der Handballwelt waren eben andere: 2011, als die Katarer die WM erhielten, hatten sie angekündigt, jeden Sitzplatz bei der WM zu besetzen.

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