Die Stadt darf gar keine Schulden machen

Hamburgs Sportsenator Michael Neumann im Gespräch über die Olympiabewerbung der Elbmetropole

  • Lesedauer: 4 Min.

Hamburg hat im April 2003 im deutschen Vorentscheid gegen Leipzig verloren. Warum soll es sich für die Stadt lohnen, nun erneut um eine Olympiabewerbung gegen Berlin ins Rennen zu gehen?

Es gibt die Auffassung des DOSB, dass Deutschland mal wieder Austragungsort für Olympische und Paralympische Sommerspiele sein sollte. Dafür kommen nur Berlin und Hamburg in Frage, und wenn man so eine Einladung bekommt, sagt man nicht Nein, sondern beschäftigt sich mit dem Thema.

Sie haben »andere Spiele« angekündigt, die »großartig, aber nicht gigantisch« werden sollen. Wie lässt sich das IOC vom bisherigen Gigantismus-Kurs abbringen?

Wenn sich die Spiele so entwickeln wie in Peking 2008 oder Sotschi 2014, dann sehe ich die olympische Idee in Gefahr. Aber die Spiele von Barcelona 1992 oder London 2012 sind gute Beispiele für eine Hamburger Bewerbung. Wenn man Olympia neu erfinden will, wäre unser Konzept ein Angebot, zu dem DOSB und IOC kaum Nein sagen können, weil es genau die Kriterien der Agenda von IOC-Präsident Thomas Bach erfüllt. Das größte Pfund für Hamburg ist die Begeisterung der Menschen, wie die bisherigen Umfragen zeigen. Außerdem fügt sich das Thema Olympia organisch in die Stadtentwicklung ein. Den Sprung über die Elbe, aber auch die Entwicklung entlang des Stromes von Bille und Elbe können wir mit einer »Olympic City« im Herzen der Stadt verbinden. Das ermöglicht auch eine sehr intensive Nachnutzung: Wir bauen keine »weißen Elefanten«, die nur für wenige Wochen genutzt werden.

Das heißt, Olympia sollte auch dem »Aufbau Ost« dienen, der Entwicklung von südöstlich des Zentrums gelegenen Stadtteilen wie Hamm, Horn und Rothenburgsort?

Mit »Aufbau Ost« wäre ich vorsichtig, das war das Wort von Helmut Kohl über die fünf beigetretenen Bundesländer. Da ich selbst aus Horn komme, will ich das weit von mir weisen. Wir haben dort tolle Stadtteile, die aber städtebaulich ihre Stärken nicht so ausgespielt haben. Das Wohnen am Wasser, das anderswo ein bewusster Lebensstil ist, wurde dort überhaupt nie kultiviert, weil es reine Gewerbe- und Industriegebiete waren. Es ist unser Ziel, diese Bereiche renaturiert in die Stadt zurückzuholen.

Würde der Breitensport nicht unter der Olympia-Fokussierung leiden?

Nein, die Sportinfrastruktur würde durch Olympia einen Schub bekommen. Wir brauchen ja nicht nur Wettkampfstätten, sondern auch Trainingsplätze. Die »Allympics«, das Erleben der Spitzensportler auf denkbar engster Tuchfühlung ist eine unserer Ideen. Zugespitzt formuliert: Auf derselben 100-Meter-Laufbahn, auf der Usain Bolts Sohn 2024 um 17 Uhr einen neuen Weltrekord laufen wird, sollen zuvor am selben Tag noch bis 13 Uhr Bundesjugendspiele durchgeführt werden. Diese Nähe wird einen Motivationssog auslösen, der gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Bisher gibt es nur Hochrechnungen, wie viel die Stadt für Olympische Spiele aufwenden müsste. Kritiker befürchten eine Kostenexplosion. Befürchten Sie das auch?

Nach den Erfahrungen mit der Elbphilharmonie wollen die Menschen nie wieder einen ungedeckten Scheck unterschreiben. Wenn der DOSB sich im März für Hamburg entscheidet, werden wir im selben Augenblick die Kostenermittlung einleiten, damit wir rechtzeitig vor einem Volksentscheid realistische Schätzungen vorlegen können. Nach Verfassungslage darf die Stadt für die Spiele gar keine neuen Schulden aufnehmen. Deshalb müssen wir mit dem Bund darüber sprechen, wer welche Investition übernimmt. Bisher haben wir die Zahlen hochgerechnet, die der von-Beust-Senat 2003 bei seiner Bewerbung ermittelt hat. Dabei kommen wir auf 1,8 Milliarden Euro für 2024 und knapp zwei Milliarden Euro für 2028.

Das IOC entscheidet erst im Sommer 2017, das weltweite Bewerberfeld ist prominent. Lohnt sich für Hamburg eine Kandidatur, auch wenn dann eine andere Stadt den Zuschlag erhält?

Unser Anspruch muss sein, das beste europäische Konzept vorzustellen. Wir Hamburger glauben gern, dass jeder Mensch in der Welt unsere Stadt kennt. Das ist aber bei Weitem nicht so: Hamburg muss wieder ein bisschen mehr wollen und sich ein bisschen mehr zutrauen. Wir gehen mit einem langen Atem heran. Sollten wir 2024 nicht erfolgreich sein, streben wir eine Bewerbung für 2028 an. Olympia ist ein Marathon, kein Sprint.

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