nd-aktuell.de / 26.01.2015 / Politik / Seite 14

Hessens Schulfrieden auf der Kippe

Hans-Gerd Öfinger
Die schwarz-grüne Landesregierung setzte Hoffnungen auf den Bildungsgipfel, um das Schulwesen zu entwickeln. Doch das Gremium droht nun zu platzen.

Als die schwarz-grüne Koalition in Hessen vor zwei Wochen auf ihr erstes Jahr zurückblickte, führten Regierungspolitiker den hessischen Bildungsgipfel als Beispiel für einen gelungenen Einstand an. Die Einrichtung hatte auf Einladung der Koalition im September ihre Arbeit aufgenommen. In ihr sollten sich Bildungsakteure und gesellschaftliche Organisationen mit der Weiterentwicklung des hessischen Schulwesens befassen. Als Folge der unter CDU-Regie eingeführten und heftig umstrittenen Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auf acht Jahre (G8) sollte der »Schulfrieden« im Land wieder hergestellt werden.

Nun könnte der Gipfel schon in den kommenden Tagen platzen. Äußerungen aus den Reihen von Gewerkschaften, Eltern und Schülervertretern machten deutlich, dass die für kommenden Freitag anberaumte nächste Plenarsitzung unter einem schlechten Stern steht. Dabei ziehen die Bildungsgewerkschaft GEW und der im Beamtenbund angesiedelte Verband Bildung und Erziehung (VBE) in ihrer Kritik am Gebaren von Kultusministerium und Koalition an einem Strang. Unterstützt werden die Organisationen von der Landesschülervertretung sowie von den Elternverbänden LEB und ebh.

Die Kritiker ziehen eine ernüchternde Bilanz der bisherigen Gipfeltreffen mit wenig zielgerichteten Debatten, einem »reinen Austauschen von Standpunkten statt ernsthaftem Dialog« und einer »politisch einseitigen Zusammensetzung« des Gremiums. So säßen etwa CDU-nahe Gruppen wie der Studierendenverband RCDS, die als als unbedeutend geltende Arbeitsgemeinschaft Christlich-Demokratischer Lehrer und die Schülerunion auf Einladung des Ministeriums mit am Tisch, während entsprechende Organisationen anderer Parteien nicht berücksichtigt würden. Außen vor bleibe auch der Hauptpersonalrat, die Vertretung von gut 50 000 Lehrkräften im Land.

Das Bündnis der Lehrergewerkschaften, Eltern- sowie Schülervertreter will seine Kritik am kommenden Freitag in den Bildungsgipfel einbringen und erwartet von der Landesregierung einen »Willen zur Einigung«. Sollte sie an der »einseitigen Zusammensetzung« des Gipfels festhalten und die Ergebnisse weiter nur im Sinne des Koalitionsvertrags moderieren, der die Überwindung sozialer Benachteiligungen im Bildungswesen nicht angehe, »sehen wir in einer weiteren Mitarbeit keinen Sinn«, drohen die Organisationen. »Langsam reißt der Geduldsfaden«, so der GEW-Landesvorsitzende Jochen Nagel auf Anfrage.

Verständnis für die Kritik am Bildungsgipfel äußerten Oppositionspolitiker. »Alle Befürchtungen, dass der Bildungsgipfel sich als Showveranstaltung erweist und notwendigen Änderungen eher im Wege steht, bestätigen sich leider bisher«, so die Abgeordnete Barbara Cárdenas (LINKE). »Nicht überrascht von den deutlichen Worten der Gipfelteilnehmer« zeigte sich auch der SPD-Abgeordnete Christoph Degen. »Ein Bildungsgipfel, der nur den Koalitionsvertrag abnicken soll, ist unnötig und unsinnig.«