Mollaths Anwalt rechnet ab

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Gustl Mollaths Ex-Verteidiger Strate spricht in seinem neuen Buch über den Fall Mollath von »Justizmord«. Heftige Kritik übt er auch an der forensischen Psychiatrie.

München. Gustl Mollaths früherer Anwalt Gerhard Strate stellt Justiz und forensischer Psychiatrie in seinem neuen Buch ein verheerendes Zeugnis aus. »Bislang ist mir wirklich noch kein Fall untergekommen, wo so massiv gegen Recht und Gesetz verstoßen wurde«, sagte Strate dem »Münchner Merkur« über den Fall Mollath, der zu Unrecht mehr als sieben Jahre in der Psychiatrie saß. In dem Buch »Der Fall Mollath« spricht der Hamburger Strafverteidiger von »Justizmord« und meint damit die Absicht, im Namen des Gesetzes das Gesetz zu brechen - um etwa jemanden seiner Freiheit zu berauben. »Dieser Fall zeigt recht einzigartig, in welch massiver Weise Unrecht praktiziert wurde«, sagte Strate der Zeitung.

Er wolle nicht das gesamte System infrage stellen, sagte der Anwalt. Aber: »Die Auswüchse in der forensischen Psychiatrie (...) sind sehr kritisch zu betrachten.« Damit meint er, dass dort »alles über Zwang« laufe - etwa die Zwangsmedikamentierung stehe in geschlossenen Abteilungen auf der Tagesordnung. Noch mehr empöre ihn aber, dass sich die Richter in ihrer Urteilsfindung meist kein eigenes Bild machten, sondern »nur die Ergebnisse der Psychiater abfragen«. Auf diese Weise bekomme die Psychiatrie die Rolle einer »vierten Gewalt«.

Von seiner heftigen Kritik nimmt Strate die Regensburger Justiz ausdrücklich aus. Das Landgericht habe im Wiederaufnahmeverfahren »vorbildlich gearbeitet«. Das erste Urteil des Landgerichts Nürnberg, das Mollath in die Psychiatrie brachte, bezeichnet Strate dagegen als »Unrechtsurteil«.

»Zweifellos sind in den gerichtlichen Verfahren gegen Herrn Mollath Fehler passiert, auf die Strate zu Recht hinweist«, sagte der Sprecher des Landgerichts Nürnberg, Michael Hammer, den »Nürnberger Nachrichten«. Auch Strates Überlegungen zum Verhältnis von Justiz und Psychiatrie seien durchaus bedenkenswert. Den Vorwurf, die Nürnberger Gerichte hätten vorsätzlich Rechtsbruch begangen, wies Hammer dagegen zurück. Der zentrale Tatvorwurf gegen Mollath sei schließlich vom Landgericht Regensburg bestätigt worden.

Gustl Mollath war 2006 vom Landgericht Nürnberg als gemeingefährlich in die Psychiatrie eingewiesen worden. Erst im Sommer 2013 wurde er entlassen. Im Wiederaufnahmeverfahren sah ihn das Landgericht Regensburg als Gewalttäter, der seine damalige Ehefrau verprügelt hatte, sprach ihn aber wegen Schuldunfähigkeit frei. Mollath erhielt zudem eine Entschädigung für die Jahre in der Psychiatrie.

Bund und Länder wollen die Vorschriften für psychisch kranke Straftäter inzwischen reformieren. Der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) sagte der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, es solle wieder mehr Vertrauen in den Umgang mit solchen Straftätern geschaffen werden. Der Reformvorschlag sieht strengere Voraussetzungen für die Unterbringung und den Verbleib in einem psychiatrischen Krankenhaus vor. Die Überprüfungsfristen sollen verkürzt und die Anforderungen an Gutachten erhöht werden. dpa/nd

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