Evangelische Kirche wird Synagoge

Als letztes der 16 Bundesländer hat nun auch Brandenburg wieder ein jüdisches Gotteshaus

  • Yne Jennerjahn
  • Lesedauer: 3 Min.
Die 1714 in Cottbus errichtete Schlosskirche der reformierten Hugenotten wird an diesem Dienstag als Synagoge feierlich eingeweiht.

In bunten Farben leuchten Darstellungen der zwölf Stämme Israels in den Fenstern, wenn in der neuen Synagoge in Cottbus abends das Licht brennt. Der Thoraschrein wurde aus einer Birke vom jüdischen Friedhof der Stadt, aus Dachbalken eines ehemals jüdischen Hauses sowie aus blauem und goldfarbenem Glas angefertigt. Die neue Synagoge in einer alten evangelischen Kirche wird am 27. Januar feierlich eingeweiht - am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.

Viel musste an der einst für französische Glaubensflüchtlinge errichteten Kirche von 1714 nicht verändert werden, damit sie nun dem jüdischen Glauben dienen kann. »Wir haben die Kreuze abgebaut, alles andere ist wie früher«, erzählt die Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Cottbus, Ulrike Menzel. »Die reformierten Hugenotten haben so genial gebaut, dass sie jetzt als Synagoge genutzt werden kann.« Im Herbst wurde die Kirche entwidmet. Die Kanzel wurde abgebaut, die Glocken wurden abgenommen.

Das Land Brandenburg hat den Kauf des Gebäudes mit knapp 600 000 Euro finanziert und will jährlich 50 000 Euro zu den Betriebskosten beisteuern.

Jüdisches Leben ist in Cottbus seit dem 15. Jahrhundert dokumentiert. Die erste Betstube wurde 1811 in einem Hinterhaus eingerichtet. 1858 wurde offiziell eine Gemeinde gegründet. Die 1902 eingeweihte historische Synagoge wurde 1938 niedergebrannt. Bei der Befreiung vom Faschismus 1945 lebten nur noch zwölf Juden in Cottbus. Erst 1998 konnte eine neue Gemeinde gegründet werden. Heute zählt sie nach eigenen Angaben rund 350 Mitglieder.

Der Zentralrat der Juden freut sich über die neue Synagoge. Dies sei ein »sichtbares Zeichen für das vielfältige, lebendige jüdische Leben, das sich wieder entwickelt hat«, sagt Vizepräsident Mark Dainow, der an der Eröffnungsfeier teilnehmen will. Mit der Umwidmung der früheren Kirche sei die Synagoge zugleich ein Symbol für den Zusammenhalt der Religionen, betont Dainow.

Bischof Markus Dröge sagt: »Mit keiner anderen Religion ist das Christentum so eng verbunden wie mit dem Judentum.« Der Bischof hält die Umwandlung der Kirche in eine Synagoge für einen Glücksfall und wünscht sich, dass jüdisches Leben in Deutschland »noch sichtbarer und selbstverständlicher wird«.

Doch nicht alle waren mit der Umwandlung der Kirche in eine Synagoge einverstanden. Der Leserbrief einer Frau in einem Anzeigenblättchen habe am Anfang gestanden, erzählt Ulrike Menzel. »Und dann ging es los.« Die Abgabe der Kirche sei hinter verschlossenen Türen beschlossen worden, »die da oben« hätten über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden, behaupteten Kritiker. Menzel weist darauf hin, dass die Öffentlichkeit über die bereits 2011 vom Gemeindekirchenrat beschlossenen Pläne durchaus informiert worden sei. Auch die Medien berichteten darüber.

Die Schlosskirche habe zwar die »bewegendste Geschichte aller Kirchen in Cottbus«, sagt Ulrike Menzel. 1989 war sie ein Treffpunkt der DDR-Opposition. Doch sie wurde von der evangelischen Kirche schlicht nicht mehr gebraucht. Als Veranstaltungsort sei sie nicht benötigt worden. Als Sehenswürdigkeit habe das schlichte Bauwerk im Stadtzentrum auch nicht getaugt. »Die Leute waren schnell drin, aber auch schnell wieder draußen.«

Dass in Deutschland eine evangelische Kirche zur Synagoge wird, kommt höchst selten vor. In Hannover wurde im Jahr 2007 die Gustav-Adolf-Kirche entwidmet, die seitdem als liberales jüdisches Gemeindezentrum und Gotteshaus dient. Ein Jahr später wurde die frühere Paul-Gerhardt-Kirche in Bielefeld zu einer Synagoge umgewidmet. Dort protestierte eine Bürgerinitiative. Mehrere Mitglieder der evangelischen Gemeinde hatten das Gebäude zuvor monatelang besetzt. Solche Schwierigkeiten gab es in Cottbus nicht. epd

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