Zum 65. Geburtstag viel versprochen

Indien feiert Gründungstag mit US-Präsident Obama/Ministerpräsident Modi will jährlich zehn Millionen neue Jobs

  • Hilmar König, Delhi
  • Lesedauer: 3 Min.
Indien feiert den Jahrestag seiner Republiksgründung am Montag mit Barack Obama als prominentesten Gast. Aller Pomp kann aber nicht verdecken, dass das Land viele Probleme nicht in den Griff bekommt.

Die Republik Indien wird am am Montag 65. Traditionell findet auf dem Rajpath von Delhi, der breiten Verbindungsstraße zwischen dem Präsidentenpalast und dem India Gate, dem Wahrzeichen der Hauptstadt, ein Festumzug statt. Dessen Kernstück bildet eine Parade, die die militärische Schlagkraft der Nation zur Schau stellt. Ehrengast des Spektakels ist diesmal USA-Präsident Barack Obama, der am Sonntag zum Staatsbesuch eintraf und umgehend Politik machte: Beide Länder haben ein Abkommen unterzeichnet, das den jahrelangen Stillstand der Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung der Atomenergie überwindet. Obama sprach auf einer Pressekonferenz von einem »wichtigen Schritt« beim Ausbau der bilateralen Partnerschaft.

Alle Fernsehsender werden die mehrstündigen Feierlichkeiten heute live übertragen. Am Abend streiten im Fernsehen Politiker unterschiedlicher Lager darüber, ob die Erfolge oder die ungelösten Probleme überwiegen. Die Bilanz zeigt Licht und Schatten. Die größte Errungenschaft ist zweifellos, dass in den 65 Jahren die 1,2 Milliarden Inder ihrem nationalen Motto »Einheit in der Vielfalt« treu blieben. Die multireligiöse, ethnisch und sprachlich so unterschiedliche Bevölkerung des Vielvölkerstaates ließ sich trotz wiederholter Provokationen nicht entzweien.

Vorzeigbar in der Bilanz ist vor allem das öffentliche Verteilungssystem für das Millionenheer der Bedürftigen, die auf diesem Wege zu stark verbilligten Preisen wenigstens minimal mit Grundnahrungsmitteln versorgt werden. Auf der Habenseite finden sich auch die Selbstversorgung Indiens mit Getreide sowie das Beschäftigungsprogramm, das Familien im ländlichen Raum für 100 Tage im Jahr ein Mindesteinkommen sichert. International haben der indische Beitrag zur Erforschung des Kosmos und der Raketenbau Aufsehen erregt. Seit Ende September umkreist eine indische Sonde den Mars.

Die Liste der ungelösten Probleme ist aber ebenfalls lang. Sie reicht von der immer noch hohen Selbstmordrate verschuldeter Bauern über unzureichende gesundheitliche Betreuung, hohe Mütter- und Säuglingssterblichkeit bis zu Massenarbeitslosigkeit und -armut. Premier Narendra Modi, seit Mai im Amt, hat versprochen, durch Forcierung des marktwirtschaftlichen Kurses zehn Millionen Arbeitsplätze pro Jahr zu schaffen. Er hat dazu auch das Projekt »Make in India« initiiert, für das seine Minister auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vehement warben. Das Auslandskapital soll in Indien investieren und produzieren. Doch es mangelt an Facharbeitern; Berufsschulen gibt es bislang nicht.

In schreiendem Kontrast zur Herstellung moderner Produkte stehen eklatante Missstände, zum Beispiel in der Hygiene. Über die Hälfte der Bevölkerung ist gezwungen, aus Mangel an Toiletten ihre Notdurft im Freien zu verrichten. Modi will das Problem bis 2019 gelöst haben. Er hat dazu das Projekt »Sauberes Indien« ins Leben gerufen. Dazu kommen: schwache Infrastruktur, ungenügende Versorgung mit Energie und Wasser, Elendsviertel in allen Städten, anhaltend hohe Gewalt gegen Frauen und das Bildungsdefizit bei rund einem Viertel der Bevölkerung - die Modi-Regierung steht vor einem riesigen Berg von Aufgaben. Allerdings bescherte ihr der derzeit niedrige Ölpreis einen Traumstart. Benzin und Diesel sind billig wie lange nicht mehr.

Modi hat inzwischen aber auch klar gemacht, dass er die Privatisierung staatlicher Unternehmen anvisiert - was auf starken Widerstand von Gewerkschaften und Oppositionsparteien stößt. Zugleich soll der Zugang ausländischen Kapitals erleichtert werden, etwa bei der staatlichen Eisenbahn, im Rüstungssektor und bei den Versicherungen. Und dass Obama neben Modi und Präsident Pranab Mukherjee auf der Ehrentribüne sitzt, wird als neues politisches Zeichen gewertet.

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