nd-aktuell.de / 27.01.2015 / Politik / Seite 6

Den Kindern in Gorlowka fehlt alles

Andrej Hunko (LINKE) über Hilfe für ein Krankenhaus im Donbass

Wolfgang Gehrcke und Andrej Hunko besuchten im November 2014 die Ukraine und Flüchtlingslager im südrussischen Rostow am Don. Auf ihrer Reise wurden sie auf das Kinderkrankenhaus von Gorlowka aufmerksam - das kaum noch medizinische Verorgung leisten kann.

Sie werben um Hilfe für ein Kinderkrankenhaus im Gebiet Donezk, warum Gorlowka?
Auf das Kinderkrankenhaus von Gorlowka sind wir aufmerksam gemacht worden, als Wolfgang Gehrcke und ich im November die Ukraine und Flüchtlingslager im südrussischen Rostow am Don besuchten. Hunderttausende Menschen sind aus dem Kriegsgebiet nach Russland geflohen. Dort trafen wir auch Menschen aus Gorlowka, einer Stadt nördlich von Donezk mit rund 260 000 Einwohnern. In dem Kinderkrankenhaus, das für seine Arbeit von der UNESCO ausgezeichnet wurde, fehlt es im Augenblick an allem.

Nun wollen Sie beschaffen, was die Kinder am meisten brauchen. Was brauchen sie?
Vor allen Dingen natürlich Medikamente. Es gibt dort kaum noch eine medizinische Versorgung. Selbst die Weltgesundheitsorganisation WHO hat deswegen bereits Alarm geschlagen. Ein Krankenhaus kann ohne Medikamente nicht arbeiten. Wir werden uns noch genau informieren, was das Allerdringendste ist, und es Ende Februar dort hinbringen.

Sie nehmen Medikamente mit?
Nein, wir werden die meisten Sachen vor Ort kaufen. Mit deutschen Medikamenten würde es viel schwieriger sein. So werden wir die in der Ukraine vertrauten Medikamente vor Ort beschaffen. Auf der ukrainischen Seite hängt das von der Sicherheitslage ab. Wir haben Bundesaußenminister Steinmeier aufgefordert, bei den ukrainischen Behörden darauf hinzuwirken, dass wir sicher reisen können. Das halte ich aber für unwahrscheinlich. Dann werden wir über Rostow am Don die Hilfslieferung organisieren.

Das ist eine Zwei-Mann-Initiative...
… die aber ohne die Unterstützung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbstverständlich nicht realisierbar wäre.

Ist das Ihre erste Hilfsaktion?
Ja, das ist das erste Mal, dass ich so etwas mache. Von der Resonanz bin ich völlig überrascht. Wir haben mit 10 000 Euro Spenden gerechnet, jetzt sind es schon mehr als 40 000 Euro. Jeden Tag rufen uns Leute an und wollen helfen. Sie wollen entweder mitfahren oder uns mit ihrer Sachkenntnis unterstützen. Offenbar haben wir wirklich ein Bedürfnis angesprochen, konkret zu helfen. Viele Menschen bekommen mit, was im Donbass passiert, und dass von westlicher Seite keine Hilfe geleistet wird. So erkläre ich mir das hohe Spendenaufkommen.

Hilfe für ein Kinderkrankenhaus ist eine gute Sache. Aber muss es Politikern nicht um etwas mehr gehen?
Selbstverständlich. Es geht uns ja auch nicht darum, so zu tun, als ob damit das Problem gelöst werde. Wir haben die Spendensammlung spontan begonnen, auch weil wir darum gebeten wurden. Das ist natürlich kein Ersatz für die politische und auch nicht für eine größere humanitäre Hilfe. Wir haben zum Beispiel in einem Brief dem deutschen Außenminister von unseren Einblicken berichtet und die Bundesregierung aufgefordert, selbst eine humanitäre Initiative für die Menschen in der Ostukraine zu starten. Wir wissen, dass unsere Aktion natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.

Der Westen ist ja durchaus engagiert in der Ukraine. Was sollte er nach Ihrem Verständnis tun?
Der Westen ist zwar engagiert, aber völlig falsch und einseitig. Die Resolution des Europaparlaments von Mitte Januar ist auch nur eine einseitige Konfliktbeschreibung, die die Eskalation vorantreiben wird. Der Westen unterstützt im Wesentlichen die Kiewer Regierung, sollte aber eine neutrale Position einnehmen.

Vor allen Dingen sollte der Westen auf ein Ende der Kampfhandlungen drängen, auf ein Ende der so genannten Anti-Terror-Operation der ukrainischen Regierung. Es geht um Verhandlungen und letztlich eine Perspektive für die Ukraine als eine Brücke zwischen Europa und Russland. Der Westen sollte nicht mit aller Kraft versuchen, die Ukraine in den eigenen Einzugsbereich zu ziehen.

Mit dem Raketenangriff auf ein Wohngebiet in Mariupol verschärft sich die militärische Auseinandersetzung. Was können die Aufständischen, was kann Russland für eine Entschärfung der Lage tun?
Für die Eskalation der letzten Tage tragen verschiedene Seiten Verantwortung. Wichtig ist es, einen Prozess der Verständigung einzuleiten und von allen Seiten Schritte zur Deeskalation einzufordern. Von russischer Seite würde ich in so einem Prozess das Ende der militärischen Unterstützung einfordern - wie ich es auch vom Westen fordere. Die Aufständischen sollten die Minsker Vereinbarungen strikt einhalten, wie ich dies auch von der ukrainischen Seite fordere. Auf allen Seiten müssen die Falken zurückgedrängt werden.

Ist Donezk nun eine Volksrepublik oder noch Ukraine?
Der Status muss noch geklärt werden. Das muss das Ergebnis von Verhandlungen nach einem Waffenstillstand sein. Ich war öfter in der Ukraine, auch im Frühjahr vorigen Jahres in Donezk. Die Menschen forderten ein Referendum. Es wurden Verwaltungsgebäude besetzt, die ukrainische Armee begann die so genannte Anti-Terror-Operation, womit die Menschen im Donbass als Terroristen bezeichnet wurden.

Nach vielen Gesprächen mit Flüchtlingen glaube ich, dass es unglaublich schwierig wird, wieder unter der Führung von Kiew zusammen zu leben. Selbst wenn der politische Wille da wäre. Allein schon wegen des Beschusses von Wohngebieten fürchte ich, dass es sehr, sehr schwierig werden wird.

Info

Spenden auf das Konto »Hilfe für die Kinder von Donezk« (Verwendungszweck) bei der Berliner Sparkasse, IBAN DE80 1005 0000 4184 6308 00 (Kontoinhaber: Wolfgang Gehrcke).

Das Geld wird zu 100 Prozent für die Kinderhilfe verwendet. Das garantieren und belegen Wolfgang Gehrcke und Andrej Hunko (Diese Aktion ist eine private Initiative, daher sind die Initiatoren leider nicht in der Lage, eine Spendenbescheinigung auszustellen.)