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Teilhabe braucht Herzensbildung

Jürgen Dusel bleibt Behindertenbeauftragter des Landes

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Behindertenbeauftragte Jürgen Dusel habe viel erreicht, lobt die LINKE. Die CDU wünscht ihm für die kommenden Jahre Gesundheit und Gottes Segen.

Gestern berief die rot-rote Regierung Ministerialrat Jürgen Dusel erneut zum Behindertenbeauftragten des Landes. Diesen Posten hat er erstmals im Mai 2010 übernommen. Ausschlaggebend für die neuerliche Berufung war die »erfolgreiche Arbeit« des 49-Jährigen, begründete Sozialministerin Diana Golze (LINKE) am Dienstag den Entschluss des Kabinetts. Dusel ist von Geburt an stark sehbehindert.

Er habe das Amt des Behindertenbeauftragten schon bisher »mit großer Leidenschaft ausgefüllt«, sagte Dusel, der aus Würzburg stammt. Es gebe »noch einiges zu tun«. Dusel verwies auf nach wie vor bestehende »Barrieren im Kopf« und schilderte ein Erlebnis: In der Notaufnahme eines Krankenhauses sei er als Behinderter »wie ein Kleinkind« behandelt worden. Man habe sich mit ausgewählt kurzen Sätzen und in sehr lauter Sprache an ihn gewandt. »Das war ja eher lustig«, winkte Dusel ab. Doch zeige das einmal mehr die Unfähigkeit vieler Menschen, Behinderte in ihrer Vielfalt wahrzunehmen. »Ich selbst kann gut Treppen steigen, sehe dafür aber schlecht.« Es müsse weiter daran gearbeitet werden, Vorurteile abzubauen.

Zu den Aufgaben, die vor der Behindertenpolitik liegen, zählte Dusel die Barrierefreiheit im ländlichen Raum. Behindertengerecht müsse nicht nur die Arztpraxis werden, auch der öffentliche Personennahverkehr weise noch erhebliche Defizite auf. Das Wort Inklusion sei leider zu einem Modewort und zu einem Zankapfel geworden, sagte Dusel. Dabei sei das Anliegen ein ganz wichtiges. Kindertagesstätten, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder betreut werden, zeigten, wie selbstverständlich die Jüngsten mit dem Thema umgehen, wenn sie angemessen herangeführt werden. »Inklusion ist eine Haltungsfrage, die auch Herzensbildung braucht«, stellte er klar.

Die Wahrung der Rechte der Behinderten und ihr Anspruch auf eine gleichwertige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben stehe auch vor dem Hintergrund des Gedenkens an die Opfer des Naziregimes. In der Nazizeit seien Behinderte und psychisch Kranke erst beschimpft und ausgegrenzt, dann ermordet worden. »Heute sollen schon wieder Menschen ausgegrenzt werden«, spielte Dusel auf aktuelle innenpolitische Entwicklungen an.

Etwa zehn Prozent der Behinderten seien von Geburt an von einer Einschränkung betroffen, die übrigen erwerben die Behinderung im Laufe ihres Lebens, informierte der Beauftragte. Er lobte die Absicht der rot-roten Koalition, das Behindertengeld in Brandenburg um 30 Prozent anzuheben. Derzeit erhalten behinderte Menschen 266 Euro im Monat. In Brandenburg leben 370 000 Behinderte, davon 238 000 mit einer Schwerstbehinderung.

»Unser Ziel ist eine inklusive Gesellschaft«, sagte Sozialministerin Golze. »Jeder Mensch - ob mit oder ohne Behinderung - soll sich vollständig und gleichberechtigt an allen gesellschaftlichen Prozessen beteiligen können. Das gilt für das politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Leben, für Bildung und Beruf. Um das zu erreichen, muss Behindertenpolitik als Querschnittsaufgabe in allen Bereichen stets mitgedacht und mit geplant werden.«

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