Helfer an der nationalen Flanke

Die Koalition mit den Unabhängigen Griechen soll Tsipras vor allem im Kampf gegen die Sparpolitik dienen

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Die nationalistischen Unabhängigen Griechen sind auf den ersten Blick ein völlig unpassender Regierungspartner für SYRIZA, aber der wahrscheinlich am besten zu kontrollierende.

An Selbstbewusstsein mangelt es dem neuen Koalitionspartner von Alexis Tsipras nicht: Seine Partei habe die Regierung Samaras »gestürzt« und nun komme ihr in der neuen die Rolle des »Stabilisators« zu, verkündete Panos Kammenos am Dienstagmorgen, einen Tag nach den erfolgreichen Koalitionsverhandlungen mit SYRIZA. Seine konservative, nationalistische Partei der Unabhängigen Griechen (Anexartitoi Ellines, ANEL) hatte sich im Wahlkampf auf diese Rolle vorbereitet. Zu den gelungensten Wahlspots aller Parteien zählt der, in dem Kammenos einem kleinen Jungen Hilfestellung bei der Führung einer Modelleisenbahn leistet. Man müsse immer rechtzeitig bremsen, lehrt Kammenos den kleinen »Alexis«.

Der Anhänger des griechischen rechten Dogmas von »Vaterland, Familie und Orthodoxer Kirche« geriert sich ansonsten gern als Revoluzzer. Es wird sicher unvergessen bleiben, wie er die Jugend des Landes aufrief, »die Großeltern am Wahltag ins Haus zu sperren«, um sie davon abzuhalten, für eine Fortsetzung der Memorandumspolitik zu stimmen. Und die »Befreiung Griechenlands vom Joch der (deutschen) Besatzung« gehört zu den erklärten Zielen der ANEL. Da werden auch mal die einseitige Aufkündigung der Schuldenrückzahlung und der Austritt aus der EU gefordert. Im Kabinett von Tsipras nimmt Kammenos nun den Posten des Verteidigungsministers ein. Dabei kann er sicher auf seine Erfahrung als Staatssekretär für die Handelsmarine und als Mitglied im Verteidigungsausschuss im letzten Parlament zurückgreifen.

Viele seiner populistischen Äußerungen sind vor dem Hintergrund der Entstehung der ANEL als Protestpartei zu verstehen. Panos Kammenos wurde im November 2011 aus der Fraktion der Nea Dimokratia ausgeschlossen, weil er sich geweigert hatte, dem von der Regierungskoalition am Wahlvolk vorbei eingesetzten Premierminister Lukas Papademos sein Vertrauen auszusprechen. Wenige Monate später gründete der knapp 50-jährige Ökonom die Partei der Unabhängigen Griechen, die bei der Parlamentswahl im Juni 2012 mit 7,5 Prozent und 20 Abgeordneten ins Parlament einzog. Ihre Stimmen sammelte die Partei vor allem in den Reihen der »griechischen Empörten«, die eine Annullierung der Gläubigermemoranden und die Wiederherstellung der Souveränität Griechenlands forderten.

In dieser ersten Legislaturperiode erregte die Partei allerdings weniger mit ihrer parlamentarischen Arbeit als vielmehr mit Querelen in den eigenen Reihen Aufsehen. Insbesondere der diktatorische Führungsstil des Parteichefs trieb so manchen Abgeordneten zum Austritt oder Wechsel in andere Formationen. Am Ende blieben noch zwölf übrig, die von Kammenos am Dienstag mit Lob bedacht wurden: »Denen, die durchgehalten haben, hat das Volk erneut das Vertrauen ausgesprochen.« Das unbestrittene Highlight in der politischen Tätigkeit der Partei ist die geradezu manische Verfechtung der Chemtrail-Theorie. Sie ging so weit, dass sich die griechische Luftwaffe gezwungen sah, ein offizielles Dementi der angeblichen Begasung der griechischen Bevölkerung abzugeben.

Trotz derartiger absurder Programmbestandteile und starken Unterschieden vor allem in den Bereichen Religion, Migration und den »großen nationalen Fragen« wie die Anerkennung der Republik Mazedonien stellen die Unabhängigen Griechen für SYRIZA objektiv gesehen eine durchaus passende Koalitionspartnerin dar. Denn in den die Wähler vom Sonntag am meisten interessierenden Fragen nach einer unmittelbaren Verbesserung ihrer Lebenssituation stimmen die beiden Parteien weitgehend überein: die schrittweise Annullierung der Austeritätsmaßnahmen, der Schuldenschnitt und die Erfüllung von griechischen Reparationsansprüchen aus der Zeit der NS-Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Seine Partei gründete Kammenos sogar in dem Ort Distomo, wo Nazis 1944 ein Massaker anrichteten. Im Wahlkampf wetterte er vor allem gegen die Bundesregierung, die ihre EU-Partner wie »Konkubinen« behandele.

Die polternde Art des neuen Juniorpartners könnte Tsipras in den anstehenden Verhandlungen aber sogar nützlich sein. Ihr gegenüber stünde der bis vor Kurzem noch als geschickter Populist und »charmanter Brandstifter« verunglimpfte neue Ministerpräsident plötzlich als der gemäßigte, vernünftige Realpolitiker da.

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