nd-aktuell.de / 30.01.2015 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 2

Wachstum statt Schuldenschnitt

Der Ökonom Gustav A. Horn über die Zukunft der griechischen Volkswirtschaft

Gustav A. Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung gehört zu den wenigen deutschen Ökonomen, die schon lange vor »Sparpolitik« warnen – gerade auch mit dem Blick auf Griechenland. Dennoch rät er der neuen Athener Linksregierung vom Drängen auf einen weiteren Schuldenschnitt nachdrücklich ab. Simon Poelchau sprach mit ihm über die Gründe seiner Skepsis.

nd: In Griechenland regiert SYRIZA. Glauben Sie, dass jetzt der Schuldenschnitt kommt, wie ihn das linke Wahlbündnis fordert?
Horn: Das ist schwer zu sagen. Ich würde mir jedoch wünschen, dass der Schuldenschnitt nicht kommt, weil er überflüssig und schädlich zugleich ist.

Was soll daran so schädlich für die griechische Wirtschaft sein?
Griechenland würde mit einem Schuldenschnitt in den Misskredit der Gläubiger fallen. Und dies sind keine Spekulanten mehr, sondern Steuerzahler, die dem Land in der Vergangenheit geholfen haben. Der Ruf wäre dann auf den Kapitalmärkten ruiniert und die Europäische Zentralbank (EZB) könnte keine Anleihen mehr kaufen. Außerdem ist der Schuldenschnitt überflüssig, weil Griechenland bei dem derzeitigen Zinsniveau schon mit einem geringen Wachstum die Schuldenquote senken könnte.

Aber ist ein Schuldenstand von 175 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht zu viel für dieses Land?
Ob etwas zu viel ist, hängt von den vorhandenen Rahmenbedingungen ab. Wären die Zinsen höher, dann wäre der jetzige Schuldenstand zu hoch, weil Griechenlands Schuldenberg immer weiter wachsen würde. Doch im Rahmen der Hilfsprogramme wurden die Zinsen für Athen massiv gesenkt. Dies muss auch beibehalten werden. So kann Griechenland sehr leicht seinen Schuldenstand reduzieren.

Wie lange würde diese Reduzierung der Schulden ohne einen Schnitt dauern?
Dies hängt auch davon ab, wie hoch das Wachstum in Griechenland sein wird. Zudem gibt es keine ökonomisch objektive Zielmarke, die es zu erreichen gilt. Es sei denn, man nimmt das EU-Stabilitätskriterium von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung. Dass Griechenland dies erreicht, würde natürlich sehr lange dauern. Zumindest würde aber eine sinkende Schuldenquote wieder Vertrauen auf den Märkten schaffen.

Ihrer Meinung nach würde ein Schuldenschnitt Griechenland auf den Märkten diskreditieren. Es gab jedoch 2012 bereits eine Umschuldung, und seitdem sind auch für Athen die Zinsen gesunken.
Erstens hat dieser Schuldenschnitt offensichtlich nichts genutzt. Denn der Schuldenstand ist jetzt höher als zuvor. Zweitens sind die Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen unmittelbar danach förmlich explodiert. Damals ist eine sehr gefährliche Schieflage entstanden, die die gesamte Währungsunion hätte zerreißen können, wenn die EZB nicht mit ihrer Ankündigung eingesprungen wäre, notfalls unbegrenzt Anleihen aufzukaufen. Ohne dieses Eingreifen der EZB wären die Zinsen nicht gesunken, und auch die Eurozone würde nicht mehr in ihrer bisherigen Form bestehen.

Könnte die EZB nicht Griechenland helfen, indem sie wieder dessen Anleihen aufkauft?
Das hat sie letzte Woche auch angekündigt. Jedoch kann sie nur Staatsanleihen kaufen, die nicht von einem Schuldenschnitt bedroht sind.

Doch will die EZB prinzipiell nur Anleihen kaufen, die ein sogenanntes Investment-Grade-Rating besitzen. Griechische Anleihen werden bereits jetzt schlechter eingeschätzt.
Dieses Problem würde sich noch verstärken, wenn man jetzt auch noch über einen Schuldenschnitt nachdenken würde. Und die EZB hat folgerichtig schon angekündigt, sich an einem solchen Schritt nicht zu beteiligen. Als Hauptgläubiger, der sie mittlerweile für Griechenland ist, hat sie in dieser Diskussion großes Gewicht.

Was würde überhaupt passieren, wenn EZB und Bundesbank in Folge einer Umschuldung griechische Anleihen abschreiben müssten?
Sie hätten massive Verluste und könnten den Finanzministern weniger überweisen. Das bedeutet auch für den deutschen Steuerzahler, dass weniger Geld für Investitionen da wäre. Hinzu kämen die Schäden für den Euro-Rettungsfonds, die sich auch auf Deutschland niederschlagen würden, weil es dort Kapital eingelagert hat.

Es gibt auch den Vorschlag eines sogenannten weichen Schuldenschnitts, bei dem etwa die Zinszahlungen und Tilgungen ans Wachstum gekoppelt wären. Ist dies keine Lösung?
Eine Lösung ist dies nicht. Es ist aber ein Kompromiss, der noch nicht ganz ausreicht. Schließlich muss man Wachstum haben, sonst funktioniert überhaupt nichts. Und da bin ich auch auf der Seite von SYRIZA: Der Austeritätskurs in Europa muss beendet werden. Man muss sich eingestehen, dass die Kombination aus Sparmaßnahmen und Strukturreformen, die das Wachstum belastet hat, gescheitert ist.

Welche Maßnahmen müssen jetzt ergriffen werden?
Man darf Griechenland keine weiteren Sparmaßnahmen aufdrücken. Zudem muss man Athen erlauben, in gewissen Bereichen wieder mehr Geld auszugeben, damit man dem Land tatsächlich ermöglicht, aus dieser Schuldenfalle herauszuwachsen.