Werbung

Schiffe ohne Tiefgang

Die Binnenschifffahrt dümpelt vor sich - dabei ist sie umweltfreundlich und preisgünstig

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Jahrzehnte nach der Vereinigung sind die Bundeswasserstraßen immer noch Stückwerk. Die Hälfte der öffentlichen Mittel für den Ausbau bleibt trotzdem ungenutzt.

Der Hallenser Manfred Sprinzek schätzt klare Worte: »Schlamperei«. Gemeint sind der CSU-Politiker Alexander Dobrindt und das von ihm geführte Bundesverkehrsministerium. Die Berliner Bürokraten sorgten dafür, dass ein Großteil der öffentlichen Mittel für die Wasserstraßen nicht ausgegeben werde, kritisiert der Präsident des Vereins zur Hebung der Saaleschifffahrt (VHdS) gegenüber dem »nd«.

Eine Schelte, die von Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Michael Groschek gestützt wird. Es sei ein unhaltbarer Zustand, dass 50 Prozent der verfügbaren Mittel zurückgeflossen seien, hatte der Sozialdemokrat schon auf dem »Forum Binnenschifffahrt« im Herbst die Große Koalition angezählt. Allein im Jahr 2013 sollen 250 Millionen Euro aus dem Wasserbauetat nicht verbaut worden und an den Bundeshaushalt zurückgeflossen sein. Und laut Bundesverband öffentlicher Binnenhäfen (BÖB) in Berlin investierte die Regierung sogar für maritime Neubauten vorgesehene Gelder in Straßenbauprojekte.

Dabei mangelt es nicht an Nachfrage. So forderten die sechzig Mitglieder des Sächsischen Hafen- und Verkehrsvereins im Januar eine »nachhaltige Ertüchtigung der Wasserstraße Elbe/Labe«. Die Wirtschaft in Sachsen, Sachsen-Anhalt und der Tschechischen Republik benötige den Fluss ganzjährig. Voraussetzung dafür sei eine Beseitigung der letzten Engstellen.

Eigentlich eine Sache von Zentimetern: Damit die traditionsreiche Strecke zwischen Dresden und Hamburg an 345 Tagen im Jahr von umweltschonenden Großcontainerschiffen befahren werden kann, wird lediglich eine Fahrrinnentiefe von 1,60 Meter benötigt. Ein Ziel, das schon im Bundesverkehrswegeplan 1992 fixiert worden war.

Dobrindt-Kritiker Sprinzek will auch Halle und Leipzig an das europäische Wassernetz andocken. Die Fertigstellung der letzten zehn Kilometer des schon 1927 begonnenen Saaleausbaus ist ebenfalls im Bundesverkehrswegeplan vorgesehen. Dass dies umweltfreundlich möglich wäre, wurde bereits vor Jahren amtlich festgestellt. Allein mit dem 2013 an den Bund zurückgeflossenen Geld, erklärt Sprinzek, »hätte man diesen Kanal dreimal bauen können«.

Wasserwege von 7000 Kilometern durchziehen die Bundesrepublik. Ein löchriger Flickenteppich. Was dazu führt, dass frühere milliardenschwere Investitionen wie etwa in die Niedrigwasserschleuse Magdeburg unausgelastet bleiben. Dobrindts Vorgänger als Verkehrsminister, der ebenfalls in der CSU beheimatete Peter Ramsauer, wollte die meisten Top-Strecken auf B- und C-Niveau herunterstufen. Was oft einer Stilllegung gleichkäme: Nach einem Gutachten von Planco Consulting würden von über 100 Binnenhäfen nur sieben den A-Status erhalten, der zukünftig noch einen Ausbau ermöglichen würde.

Inzwischen meldet die Industrie zwischen Oder und Rhein wachsenden Bedarf an. Der Transport selbst von Massengütern in Containern und die wachsende Bedeutung von hochwertigen, aber sperrigen Industriegütern wie Generatoren und Windkraftanlagen machen Wasserstraßen attraktiv. Binnenschiffe könnten wesentlich stärker genutzt werden, sagt der Vorsitzende der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans-Joachim Welsch. Wenn Mosel und Elbe-Seitenkanal, Teltowkanal und Oder-Spree-Kanal auf das erforderliche Maß ausgebaut würden. »Ich frage mich, warum das nicht schneller geht.«

Politisch liegt die Verantwortung im Bundesverkehrsministerium. NRW-Minister Groschek gibt dem dortigen Mangel an Ingenieuren die Schuld, was Planungen lange verzögere. Saale-Lobbyist Sprinzek verweist auf überzogene Forderungen grüner Lobbyisten und auf die Macht von Autoindustrie und Logistikkonzernen.

Davon will man im Bundesverkehrsministerium nichts wissen. Von den jeweils rund 1,5 Milliarden Euro, die für Bau und Betrieb der Bundeswasserstraßen in den Jahren 2013 und 2014 bereitstanden, seien nur 200 Millionen nicht ausgegeben worden. Allerdings sei es darüber hinaus zu »Verlagerungen« gekommen. Mittel für Aus- und Neubaumaßnahmen seien »verstärkend« für den laufenden Betrieb eingesetzt worden. Schuld seien unter anderem »fehlende baureife Planungen«. So wird sich nach Informationen des »nd« das »Gesamtkonzept Elbe«, welches die Bundesregierung Tschechien lange für dieses Jahr versprochen hatte, um zwei weitere Jahre verzögern.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal