Hoffentlich ist die Allianz versichert

Der Finanzriese feiert seinen 125. Geburtstag und gilt inzwischen weltweit als systemrelevant

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Münchner Gigant verwaltet ein Billionen-Vermögen. Anders als bei den Banken hat die Bundesregierung aber keinen »Plan B« und hofft lieber, dass alles gut geht.

Die Eigner der »Titanic« gehören zu den berühmten Kunden. Doch von einem Untergang scheint die Allianz heute weiter entfernt denn je. »Ich sehe keine absehbaren großen Gefahren für die Allianz«, meint Ralf Krämer, wirtschaftspolitischer Berater des Ver.di-Bundesvorstandes. Anderseits stuft der G20-Finanzstabilitätsrat den Versicherer als »global systemrelevant« ein. So verwaltet allein der US-Fonds Pimco als Tochtergesellschaft ein Vermögen von umgerechnet 1,5 Billion Euro - was dem Bruttoinlandsprodukt Englands entspricht.

Mit der Eintragung in das Handelsregister am Amtsgericht I wird die in München geplante Allianz am 5. Februar vor 125 Jahren in Berlin gegründet. Es ist an der Zeit. Die Wirtschaft im Kaiserreich verspürt starken Aufwind. Chemie und Elektro treiben die zweite industrielle Revolution an. Und mit Bismarcks Sozialversicherung dringt der Versicherungsgedanke selbst in Teile der Arbeiterbewegung ein. Der Chef der Münchner Rückversicherung, Carl Thieme, und Bankier Wilhelm Finck wittern große Chancen: »Man sucht Schutz vor den Gefahren der neuen Technik«, heißt es in der Hausgeschichte, die zum 100-jährigen Bestehen erschien.

Der Spätgeborene zielt gleich auf Größe und steigt in das neuartige Transportgeschäft ein. Die ins Ausland strebende »nationale« Industrie benötigt nämlich Rückendeckung. Aus ähnlichen Motiven heraus hatten führende Privatfinanziers bereits die Deutsche Bank AG gegründet, mit der die Allianz bis heute eng verbandelt ist. Um 1900 ist die deutsche Wirtschaft dann bereits global im Geschäft wie heute.

In den 1970er Jahren wird die Allianz wieder zum »multinationalen Unternehmen«. Mit politischem Einfluss. Schon im Dezember 1989 fällt für sie der »Eiserne Vorhang«: Vorstandsvorsitzender Wolfgang Schieren und der ungarische Finanzminister Laszlo Békesi unterschreiben den Vertrag über eine Kapitalbeteiligung an der Hungaria-Versicherung. Bald darauf übernimmt man das gesamte Privatkundengeschäft der Staatlichen Versicherung der DDR.

Doch Größe allein schützt nicht immer. Ende der 1990er Jahre werden Klagen in den USA laut, die Allianz habe von den Nazis profitiert. Tatsächlich war Boss Kurt Schmitt im Juni 1933 Reichswirtschaftsminister geworden. Bis 1939 hatten sich die Vermögensanlagen verdoppelt - und die Allianz, ohnehin seit den 1920er Jahren Marktführer in Europa von der Enteignung jüdischer Bürger und von Firmenübernahmen im besetzten Osten profitiert. Diesen »skrupellosen Opportunismus« des Vorstandes geißelt später der amerikanische Historiker Gerald Feldman. Er wird nach den US-Klagen vom Allianz-Vorstand damit beauftragt, die Firmengeschichte zu untersuchen.

Ihre Macht weiß die Allianz auch später politisch zu nutzen. »Zur Geschichte der Allianz gehört der gigantische Lobbyismus, der zur Durchsetzung der privaten Kapitalvorsorge als Ausgleich für Kürzungen der gesetzlichen Alterssicherung durch die Schröder-Regierung betrieben worden ist«, sagt Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel, der bis 2006 dem Aufsichtsrat angehörte.

Die Allianz SE (Europäische Aktiengesellschaft) ist auch für Hickel »hochgradig systemrelevant«. Doch »eine echte Gefahr« sehe er trotz Niedrigstzinsen aktuell nicht. Die Münchner hätten es immer verstanden, sich aus Krisen heraus zu erneuern. Etwa nach dem Börsencrash im März 2000, als die hohe Aktienquote gefährlich wurde, oder in der Eurokrise. Nun konzentriere sie sich bei ihrer Anlagestrategie auf Infrastrukturprojekte. Es dürfte daher kein Zufall sein, dass Politiker trotz schlechter Erfahrungen »Öffentlich-private Partnerschaften« wieder öfter ins Spiel bringen.

Hickel warnt: »Eine vorsorgende politische Alternative gibt es zum Absturz der Allianz nicht.« In der Politik scheint das Motto zu gelten: Wenn der Global-Player zusammenbricht, wäre die Katastrophe ohnehin nicht mehr aufzuhalten. Für Hickel ist das »unverantwortlich«. Die Politik müsse endlich ein Modell für die Abwicklung selbst der Allianz entwickeln.

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