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Auf Geiselmord folgten Hinrichtungen

Islamischer Staat und Jordanien setzen Spirale der Gewalt fort / Abdullah und Obama offenbar im Einvernehmen

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der Ermordung einer jordanischen Geisel durch den Islamischen Staat hat Jordanien zwei Häftlinge hingerichtet - auch als Signal nach innen: Die Organisation hat im Land viele Unterstützer.

Die Nachricht verbreitete sich schnell: Das jordanische Fernsehen hatte gerade erst sein Programm unterbrochen, als sich vor dem Palast von König Abdullah II. eine wütende Menschenmenge versammelte. »Tod dem Islamischen Staat«, wurde gerufen, und: »Wir sind Maas.« In Washington unterzeichnete Abdullah II. derweil gerade mit US-Außenminister John Kerry eine Vereinbarung über höhere Finanzhilfen für das wirtschaftlich geschwächte Königreich. Dann machte sich der Herrscher auf den Weg zum Weißen Haus, zu einem offiziell außerplanmäßigen Treffen mit Präsident Barack Obama. Dort präsentierte man sich geschlossen, entschlossen: Die Tötung des jordanischen Piloten Maas al-Kassasbeh werde Jordaniens Bereitschaft zum Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) nur weiter stärken, verbreiteten die Sprecher der beiden danach fast gleichlautend.

Nur wenige Stunden später wurden Sadschida al-Rischawi und Ziad al-Karbuli hingerichtet, zwei Iraker mit Verbindungen zu Al Qaida. Rischawi soll 2005 an Anschlägen auf drei Hotels in Amman beteiligt gewesen sein; Karbuli wurde vorgeworfen, Angriffe auf Ziele in Jordanien geplant zu haben. Jordaniens Regierung hatte angeboten, Rischawi gegen den 26-jährigen Kampfpiloten auszutauschen, der im Dezember über Syrien abgestürzt war; ein Angebot, dass damals bei Sicherheitsexperten für Erstaunen gesorgt hatte: Denn mit einem Austausch hätte sich Jordanien offen gegen die Doktrin »Keine Verhandlungen mit Terroristen« gewandt, die von der US-Regierung immer wieder betont wird, und dies in einer Zeit, in der das Land dringend auf die Erhöhung der amerikanischen Finanzhilfen auf umgerechnet 870 Millionen Euro im Jahr angewiesen ist. Im Laufe der vergangenen Jahre sind gut eine Million Syrer nach Jordanien geflüchtet; mittlerweile liegt die Arbeitslosigkeit bei offiziell 12,3 Prozent.

Einer Einschätzung des Nationalen Sicherheitsrates in Israel zufolge sei es IS vor allem darum gegangen, ein Signal an jordanische Militärangehörige zu senden: Wer am Kampf gegen IS teilnehme, müsse auch als Muslim mit dramatischen Folgen für sich selbst rechnen. Das Papier sei auch an den jordanischen Geheimdienst, der eng mit den israelischen und US-Diensten zusammenarbeitet, übergeben worden, so ein Mitglied des Sicherheitsrates. Und jordanische Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass für die Organisation dieses Zeichen wichtiger als der Propagandaerfolg gewesen sei, Rischawi freigepresst zu haben. Darauf deute auch das Drastische des Videos hin: Der Pilot wurde bei Bewusstsein verbrannt. Jordaniens Regierung sagt, der Mann sei bereits Anfang des Jahres getötet worden.

Jordanien spielt im Kampf gegen den IS eine wichtige Rolle: Nicht nur nimmt das Militär selbst teil; das Land dient auch als Basis für ausländische Truppen. Ammans Geheimdienstchef Faisal al-Schubaki hatte in der Vergangenheit immer wieder gefordert, man müsse ein »entschiedenes Signal gegen IS« setzen, »Geschlossenheit« demonstrieren. Nun hat man das getan. Die Schnelligkeit, mit der das offiziell nicht geplante Treffen von Abdullah II. und Obama zustande kam, deutet darauf hin, dass man für den Fall der Fälle vorgeplant und darauf hingearbeitet hatte, ihn für eine solche Demonstration der Geschlossenheit zu nutzen: »Das ist unser Signal: Jordanien und die Vereinigten Staaten stehen zusammen, komme, was wolle,« heißt es aus dem US-Außenministerium.

Denn die Solidaritätsbekundungen am Dienstagabend in Jordanien täuschen. Jordaniens militärisches Engagement gegen den IS ist im Land sehr umstritten. Laut einer Studie der Universität Amman vom Oktober halten 38 Prozent der Bevölkerung den Islamischen Staat für legitim; bei Al Qaida sind es sogar 56 Prozent. Liberale Jordanier kritisieren zudem, der Militäreinsatz drohe Jordanien zu destabilisieren. »Ich hoffe, dass dieses Video den Leuten vor Augen geführt hat, wozu diese Leute fähig sind,« sagte Premierminister Abdullah Ensour am Mittwoch: »Wer es aber immer noch nicht gelernt hat, muss mit unserer harten, eisernen Faust rechnen.«

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