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Czaja findet Geschäfte von Ex-Staatssekretär Büge in Ordnung

Sozialsenat bestätigt nd-Erkenntnisse über Kapitalverflechtungen ins Flüchtlingsgeschäft / Opposition fordert Änderung der Rechtsgrundlage

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Wechsel aus der Politik in die freie Wirtschaft sind nicht nur auf Bundesebene ein Thema, sondern auch in Berlin: Die Geschäfte des ehemaligen Sozialstaatssekretärs Büge werfen weiter Fragen auf.

Die Recherche des »neuen deutschland« hat Sozialsenator Mario Czaja (CDU) kalt erwischt. Mitten in die laufende »Patenschaftsaffäre« zu Vetternwirtschaftsvorwürfen im Flüchtlingsunterbringungsgeschäft beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) platzte im Dezember vergangenen Jahres die Nachricht, dass Czajas ehemaliger Sozialstaatssekretär Michael Büge (CDU) über Beteiligungen ebenfalls im Geschäft mit der Flüchtlingsunterbringung mitmischen will. Ein Bereich, den Büge bis ins Jahr 2013 dienstlich in der Verwaltung selbst verantwortete. Noch am selben Tag nach Erscheinen des »nd«-Artikels zu den fragwürdigen Geschäftsbeziehungen erhielt der rechte Burschenschafter Büge Post von Czaja »mit Bitte um Stellungnahme«. Eine Antwort erfolgte am 30. Dezember. In der schriftlichen Antwort erklärte Büge, dass »er weder Geschäftsführer noch Beschäftigter im Rahmen eines Dienstvertrages in der benannten oder sonstigen Gesellschaften außerhalb der Bürgerhilfe Kultur des Helfens gGmbh« sei. Zudem sei er auch über »keine Werkverträge« freiberuflich tätig geworden.

Warum diese Aussagen wichtig sind, legen Antworten der Sozialsenatsverwaltung auf zwei schriftliche Anfragen der Grünen und der Linkspartei im Abgeordnetenhaus dar, die »neues deutschland« vorab vorliegen. Nach dem Beamtenstatusgesetz haben Ruhestandsbeamte die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes anzuzeigen, die »mit der früheren dienstlichen Tätigkeit in Zusammenhang steht und durch die dienstlichen Interessen beeinträchtig werden können«.

Der Sozialsenat hat inzwischen geprüft, ob Büge ordnungsgemäß gehandelt hat. Das Ergebnis: »Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist festzustellen, dass die hier vorliegende Minderheitsbeteiligung eines Gesellschafters keine Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung im Sinne der beamtenrechtlichen Regelung darstellt.« Und: »Vielmehr handelt es sich hierbei um die Verwaltung bzw. Nutznießung des dem (ehemaligen) Beamten unterliegenden Vermögens, die weder genehmigungs-, noch anzeigepflichtig ist.« Soll heißen: Wenn ehemalige Beamte in ihren alten Dienstbereichen mit ihrem Kapital Einkünfte erzielen, ist das okay - solange sie nicht anfangen, in dem Bereich zu arbeiten oder Einfluss zu nehmen. Im Fall Büges liegen dem Senat »entsprechende Anhaltspunkte« indes nicht vor.

Für die Oppositionsparteien im Abgeordnetenhaus ist diese Argumentation wenig schlüssig. »Es mutet eigenartig an, dass einem ehemaligen Staatssekretär zwar das Arbeiten in einer Flüchtlingseinrichtung, nicht aber das Beteiligen am Betrieb verboten sein soll«, sagt der rechtspolitische Sprecher der Grünenfraktion, Dirk Behrendt, dem »nd«. Aus seiner Sicht müssen wegen des Beispiels Büge gegebenenfalls die rechtlichen Grundlagen geändert werden.

Die Linkspartei-Abgeordnete Elke Breitenbach erkennt im Fall Büge durchaus Parallelen zum aktuell bundesweit heiß diskutierten Wechsel der CDU-Politikerin Katherina Reiche in die Wirtschaft. Büge würde zwar im Flüchtlingsgeschäft nicht so viel Geld verdienen, aber es handele sich um das »gleiche Problem«, betont Breitenbach. Die Sozialexpertin der LINKEN fordert ebenfalls eine Überprüfung der rechtlichen Grundlagen.

Die Piraten verweisen in diesem Zusammenhang auf die Beschäftigung Büges als Geschäftsführer der »Bürgerhilfe Kultur des Helfens gGmbH«. Auch in deren sozialem Geschäftsfeld sei Büge als Staatssekretär verantwortlich gewesen. »Der Sündenfall bei Büge lag bereits bei der Bürgerhilfe, die Sache mit der Beteiligung an der Flüchtlingsunterbringung setzt dem Ganzen die Krone auf«, kritisiert der Piraten-Abgeordnete Fabio Reinhardt. Er glaubt, dass es außerdem eine »Illusion« sei, dass der Ex-Staatssekretär sein Wissen und seine Kontakte aus seiner politischen Zeit nicht einfließen lassen würde.

Die Aufarbeitung der seltsamen Verflechtungen und dubiosen Verträge dauert derweil an. Am Montag sind sie erneut Thema im Sozialausschuss. Dort will Czaja den Bericht der Innenrevision zu Verträgen zwischen LAGeSo und den Firmen Pewobe und Gierso vorlegen - unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

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