Weniger Beifall für Krim-Sieg

Anteil unzufriedener Russen wächst / Putin noch populär

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Gesellschaft beginne zu begreifen, dass sie für den Anschluss und die Integration der Krim einen hohen Preis zahlen müsse. So fasste Denis Wolkow, Chefsoziologe beim Lewada-Zentrum, derzeit Russland einziges unabhängiges Meinungsforschungsinstitut, die Ergebnisse einer neuen Umfrage zu Moskaus Ukraine-Politik zusammen. Bürgern in mehr als der Hälfte der Regionen wurden dabei Ende Januar die gleichen Fragen vorgelegt wie im März 2014. Das war kurz nach dem Russland-Beitritt der Schwarzmeerhalbinsel.

Hielten im März 2014 den Russland-Beitritt der Krim 57 Prozent für richtig, waren es im Januar 2015 sieben Prozent weniger. Eher dagegen waren 2014 sechs , »klar dagegen« weniger als ein Prozent. Jetzt sind es acht bzw. vier Prozent. Die Gruppe der Unzufriedenen wächst. Während sich noch vor knapp einem Jahr 48 Prozent den Anschluss der Ostukraine an Russland wünschten, sind es zurzeit gerade einmal 19 Prozent. Allerdings unterstützten 43 Prozent die Abspaltung der Rebellenregionen und die Gründung eines Separatstaates. Ein Drittel aller Befragten sprach sich zudem für die Schließung von Russlands Grenzen zur Ukraine aus.

Der bewaffnete Konflikt in der Ostukraine, wachsende internationale Spannungen und Feindseligkeit gegenüber Russland sowie schlechte Wirtschaftsdaten könnten in Kürze auch die persönlichen Zustimmungsraten von Präsident Wladimir Putin, die derzeit bei über 80 Prozent liegen, zum Absturz bringen, warnten die Lewada-Soziologen in der Nesawissimaja Gaseta.

Zwar würde die Popularitätskurve des Kremlherrschers momentan auf sehr hohem Niveau verharren. Doch das habe auch damit zu tun, dass die Russen sich nur mit Mühe ein eigenes Bild von den Entwicklungen machen oder sich kritisch damit auseinandersetzen können. Für die Berichterstattung russischer Medien zur Ukraine- wie zur Wirtschaftskrise gelte faktisch »das Kriegsrecht«. Sprich: Zensur und Selbstzensur.

Daher sei nicht auszuschließen, dass die Figur Putins zunächst die Nation weiter konsolidiert. Allerdings könnte die wachsende Unzufriedenheit mit der Regierung und deren Wirtschaftspolitik schnell auch Putins eigene Werte vermasseln. Dieser, so die Soziologen, habe die Gefahr erkannt und setze auf die alte russische Spruchweisheit: Der Zar ist gut, aber die Bojaren sind schlecht.

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