Werbung

Scheitern ist keine Option

SYRIZA-Politiker Ntavanellos über den Handlungsspielraum Griechenlands

  • Lesedauer: 5 Min.

Die neue griechische Regierung machte diese Woche mit Reisen quer durch Europa auf sich aufmerksam, um Verhandlungen über die Bewältigung der Schulden- und Wachstumskrise des Landes vorzubereiten. Wie bewerten Sie die ersten Schritte der Regierung?

Diese Regierung stellt nach einer sehr langen, intensiven Zeit der Kämpfe einen großen Sieg des griechischen Volkes dar. Wir haben uns gegenüber den Menschen mit dem Thessaloniki-Programm verpflichtet. Es sieht unter anderem die Wiederherstellung des Mindestlohns auf dem Niveau vor der Krise und die Abschaffung einer Sondersteuer auf Heizöl sowie auf den Wohnsitz vor. Es ist ein Programm zur Milderung der Lage der Menschen. Wir müssen die Erwartungen und Hoffnungen erfüllen und werden alles dafür tun, nicht zu scheitern.

Die ersten Maßnahmen dazu wurden bereits angekündigt. Dieser Tage steht international die Schuldenproblematik im Fokus. Erkennen Sie erste Erfolge durch die Gespräche, die Ministerpräsident Alexis Tsipras und Finanzminister Yanis Varoufakis hierzu geführt haben?

Die Regierung wird die Maßnahmen aus dem Thessaloniki-Programm nächste Woche im Parlament vorstellen und ich bin mir sicher, dass ihr das Vertrauen ausgesprochen wird, um diese Maßnahmen direkt implementieren zu können. Dadurch wird unser Programm sich auch in Richtung der Abschaffung des Memorandums und der verschiedenen Gesetze, die dieses beinhaltet, zu entfalten beginnen.

Gleichzeitig laufen die Verhandlungen mit den europäischen Institutionen, was die Schuldenfrage angeht. Was alle verstehen müssen, ist, dass die vorigen Abkommen zwischen den griechischen Regierungen und den europäischen Institutionen die griechische Wirtschaft praktisch strangulieren. Das Wahlergebnis vom 25. Januar verleiht der SYRIZA-Regierung ein klares Mandat, um diese Situation zu ändern.

Das ist die griechische Sicht auf die Dinge. Die zählt aber offenbar anderswo, etwa in Berlin, nicht viel.

Wir glauben, dass die Abkehr von den Memoranden im Interesse aller Arbeitnehmer und Völker in Europa ist. Wir wollen nicht, dass die Arbeitnehmer in Europa, vor allem die in Deutschland, die Kosten für unsere Wirtschaftsschulden tragen. Wir streben nach einem gemeinsamen Kampf, um die Austeritätspolitik zu stoppen, um dieser barbarischen Politik ein Ende zu setzen, die die Gesellschaften überall in Europa zerstört und gleichzeitig auch Europa damit zerstört. Wir glauben, dass sich Europa bereits ein Stück weit ändert und die Bedingungen dafür entstehen, dass wir diesen Kampf gewinnen können.

Welche Bedingungen meinen Sie?

Wir haben einen sehr großen politischen Sieg in Griechenland errungen. Es sieht so aus, als ob Spanien nun folgen wird. Sehr gute Perspektiven zeichnen sich auch in Portugal, in Irland und anderswo ab. Gleichzeitig sind auch Brüche und Spaltungen innerhalb der herrschenden Kräfte zu verzeichnen. Die Brüche der französischen, italienischen und griechischen Regierungen mit der deutschen können wir ausnutzen. Aber die Kraft, die die Dinge vorantreiben kann, ist letztendlich die Einheit der Arbeitnehmer auf einer europäischen Ebene.

Konkret geht es jetzt jedoch um die Verhandlungen über eine neue Vereinbarung mit den Gläubigern. Was erwarten Sie dabei von der Bundesregierung?

Die deutsche Regierung muss akzeptieren, dass die Zerstörung der Gesellschaften und die Rettung der Banken keine politische Priorität mehr darstellen können. Dieses Programm führt in eine Sackgasse. Wir müssen zu einer Verständigung kommen, die die sozialen Bedürfnisse, die Forderungen der Bevölkerungen, zur Priorität macht.

Nach allem, wie sich die Bundesregierung bisher geäußert hat, will sie allerdings nicht von bisherigen Vereinbarungen abrücken. Worauf gründen Sie ihre Hoffnung, dass SYRIZA doch ihre Vorhaben wird durchsetzen können?

Die Regierung von SYRIZA hat sich gegenüber dem griechischem Volk durch ein Programm verpflichtet. Wir haben keine andere Wahl, als auf diesem Programm zu bestehen. Durch Verhandlungen und Diskussionen müssen gemeinsame Schnittpunkte gefunden werden, damit die Forderungen der deutschen Regierung keine irrationalen Züge tragen. Auf dieser Grundlage appellieren wir auch an die Arbeitnehmer in Deutschland, auch an die deutsche Linke.

Was werden Sie tun, wenn in der nächsten Woche beim Treffen der Euro-Gruppe und beim EU-Gipfel keine Lösung gefunden wird? Folgt dann der Grexit oder würde SYRIZA hinschmeißen?

Alexis Tsipras hat einen »Grexit« ausgeschlossen und sich gleichzeitig verpflichtet, das Programm von SYRIZA zu implementieren. Die Europäische Union muss begreifen, dass sich die Dinge ändern. Das Wahlergebnis in Griechenland ist ein eindeutiges Signal dafür.

Inwiefern?

Bei der Parlamentswahl hat SYRIZA ein unvorhersehbares Ergebnis erreicht. Gleichzeitig gelang es der Kommunistischen Partei, ihre Kräfte zu bündeln. Das ist meines Erachtens ein Indiz dafür, dass wir einen gesellschaftlichen Linksruck hatten, von dem nicht nur SYRIZA profitierte. Die Interessen der Arbeitnehmer und der einfachen Menschen gegenüber den Gläubigern zu verteidigen, liegt nicht nur in der Verantwortung von SYRIZA. Wir werden die Einheit der gesamten Linken brauchen.

Muss SYRIZA angesichts der Koalition mit der nationalistischen ANEL nicht erwarten, dass auch die außerparlamentarische Linke Druck auf die Regierung machen wird?

Die Mobilisierung der Volkskräfte und der Linken ist nötig, um die Regierung gegenüber dem Druck, den sie von rechts erhalten wird, zu unterstützen. Das sind Angriffe, die wir sowohl im Ausland wie auch im Inland erwarten. Keiner kann und darf die Bedeutung und Größe des Sieges des Volkes vom 25. Januar unterschätzen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal