Doppelwähler

Giovanni di Lorenzos doppelte Stimmabgabe bleibt ohne Folgen

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.

Zwei Herzen schlagen in der Brust des Giovanni di Lorenzo. Einerseits ist der 55-Jährige als Chefredakteur der »Zeit« und Mitherausgeber des Berliner »Tagesspiegel« wie kaum ein zweiter in das politische Geschehen der Bundesrepublik involviert. Andererseits verbrachte der Sohn eines Italieners und einer Deutschen seine Kindheit in Rom. Erst nach der Trennung seiner Eltern landete er mit elf Jahren auf dem »fremden Planeten namens Hannover«, wie er später einmal sagte. Der überzeugte Europäer besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft. Und so gab er seine Stimme bei den Europawahlen im Mai 2014 gleich zweifach ab: »Einmal gestern im italienischen Konsulat und einmal heute in einer Hamburger Grundschule«, wie er in einer Talkshow am Wahlabend einräumte. Der dort ebenfalls anwesende Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fand das irgendwie nicht in Ordnung und sagte mit Blick auf den doppelten Wahlakt: »Da müssen wir eine Regelung finden.« Das ist bislang aber nicht gelungen. Zwar verbietet das Europa-Wahlgesetz die doppelte Stimmabgabe, doch da der diesbezügliche Informationsaustausch der Behörden mangelhaft ist, hätten etwa eine Million Deutsche mit doppelter EU-Staatsbürgerschaft es di Lorenzo gleichtun können.

Welche Konsequenzen hat das gesetzwidrige Verhalten der Edelfeder? Vorerst keine. Bereits im November 2014 hatte die Hamburger Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen des Verdachts der Wahlfälschung eingestellt. Und auch der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages hat die Einsprüche gegen die Europawahl wegen di Lorenzos Stimmverhalten nun zurückgewiesen. Der Fall habe offenkundig keinen Einfluss auf den Ausgang der Wahl gehabt, argumentierte der Ausschuss einem Bericht der »Süddeutschen Zeitung« zufolge. Weitere Fälle seien dem Gremium nicht bekannt geworden.

Und di Lorenzo? Der Chef von Deutschlands angesehenster Wochenzeitung behauptet, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass die doppelte Stimmabgabe in einer Demokratie verboten ist.

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