Werbung

Haussegen in Thüringen hängt schief

Kommunen sind wütend auf rot-rot-grüne Landesregierung und werfen ihr Bruch von Wahlversprechen vor

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 3 Min.
Kritiker werfen der Thüringer Regierungskoalition gern vor, ihre Versprechungen seien unbezahlbar. Die Kommunen glauben, das jetzt erleben zu müssen. Für sie ist der Politikwechsel gescheitert.

Die Städte, Gemeinden und Landkreise in Thüringen »gehen goldenen Zeiten entgegen«, hatte der Präsident des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen, Michael Brychcy, in der Vergangenheit immer wieder erklärt, wenn er gefragt worden war, was er von den vollmundigen Ankündigungen des Thüringer Dreierbündnis aus LINKEN, Sozialdemokraten und Grünen halte, die Kommunen im Freistaat finanziell besser auszustatten. Seine Nachsätze lauteten im Kern aber immer: »Freilich nur dann, wenn diesen Ankündigungen auch wirklich Taten folgen sollten. Und mir fehlt der Glaube daran.« Nun, zwei Monate nach der Wahl von Bodo Ramelow zum ersten LINKE-Ministerpräsidenten Deutschlands sehen sich Brychcy und andere Kommunalvertreter in ihren Befürchtungen bestätigt. Sie werfen Rot-Rot-Grün vor, eines der zentralen Wahlversprechen dieser Koalition gebrochen zu haben. Ramelow und viele seine Minister verteidigen sich mit den gleichen Argumenten, die auch der letzte CDU-Finanzminister, Wolfgang Voß, ständig bemüht hatte.

Hintergrund für den Streit sind die aktuellen Pläne von Rot-Rot-Grün, den Kommunen im laufenden Jahr angeblich 135 Millionen Euro mehr zur Verfügung zu stellen als 2014. Wer genau diesen Vorschlag auf den Tisch gelegt hat, ist kompliziert, weil die Zuständigkeiten zwischen den regierungstragenden Fraktionen und der Landesregierung hin und her geschoben werden. Das - aus Sicht der Kommunen - Grundproblem aber ist ein doppeltes.

Erstens bestehen sowohl der Gemeinde- und Städtebund als auch der Thüringische Landkreistag darauf, die Kommunen bräuchten mindestens 200 Millionen Euro pro Jahr mehr, um ihre Aufgaben erledigen zu können. Die von Rot-Rot-Grün genannte Summe erscheint ihnen schon deshalb zu gering. Zweitens: Rot-Rot-Grün und die Kommunen blicken völlig unterschiedlich auf die Zusammensetzung der 135 Millionen Euro. Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen bezeichnen diese Mittel als »frisches Geld«, das die Kommunen »zusätzlich« erhielten. Die Kommunen dagegen weisen darauf hin, dass in dieser Summe 41 Millionen Euro Bundesmittel enthalten sind, die Rot-Rot-Grün nur an die Städte, Gemeinden und Landkreise weiterreicht. Diese Mittel stünden den Kommunen also ohnehin zu. Aus Sicht der Kommunen stellt das Land also nicht 135 Millionen Euro, sondern nur 94 Millionen Euro zusätzlich bereit - wobei im Moment zudem unklar ist, ob das 2015 auch in voller Höhe geschieht. Immer wieder war zuletzt davon gesprochen worden, zehn Millionen Euro davon könnten erst 2016 fließen.

Das Klima zwischen Kommunen und Land ist damit im Moment mindestens so schlecht wie zu jenen Zeiten, als noch CDU und SPD den Freistaat regierten. Inzwischen gibt es erste Forderungen einzelner Bürgermeister, vor der Staatskanzlei in Erfurt für mehr Geld zu demonstrieren. Solche Proteste haben in Thüringen Tradition. Auf einer Versammlung des Gemeinde- und Städtebundes vor einigen Jahren hatte ein enttäuschter Bürgermeister der damaligen Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) öffentlichkeitswirksam »sein letztes Hemd« in die Hand gedrückt.

Die Art und Weise, wie Ramelow und seine Minister auf diese Kritik reagieren, ist ebenfalls bekannt. Gebetsmühlenartig beharren sie nicht nur darauf, »wirklich« 135 Millionen mehr für die Kommunen bereitzustellen. In diesem Zusammenhang weisen sie auch regelmäßig darauf hin, dass man nicht nur auf die Landeszuweisungen für die Kommunen alleine schauen dürfe, wenn es um deren Haushaltssituation gehe. Man müsse auch bedenken, dass die Kommunen infolge der guten Konjunktur höhere Steuereinnahmen zu verzeichnen hätten. Tatsächlich könnten sie im laufenden Jahr über 242 Millionen Euro mehr als 2014 verfügen. Auch Voß hatte stets nach diesem Muster argumentiert.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal