Der Jingle kam vom LKA

Skandal um Polizeispitzelei in Hamburg nimmt Kurs auf Untersuchungsausschuss

  • Richard Claus
  • Lesedauer: 2 Min.

Iris P. war in der linken Szene Hamburgs gut unterwegs. Sie hatte viele Freunde, Liebschaften, war Mitglied im Hausplenum der »Roten Flora«, engagierte sich beim linken Radiosender FSK (Freies Sender Kombinat) - und war verdeckte Ermittlerin des Landeskriminalamtes (LKA). Sie erledigte auch Jobs für die Polizei in Schleswig-Holstein, außerdem wurde sie für eine längere Zeit an das Bundeskriminalamt »ausgeliehen«.

Insgesamt sechs Jahre war die Polizistin Teil der linken Szene in Hamburg. Im April 2006 verabschiedete sie sich unter dem Vorwand einer einjährigen Reise in die USA aus der Szene. Ihre Tarnung flog erst sieben Jahre später endgültig auf. Dass die mittlerweile 41-Jährige jetzt in den Schlagzeilen ist, muss ihren Chefs peinlich sein. Zumal das Thema im Wahlkampf eine Rolle spielt.

Bei FSK moderierte P. Sendungen und war als Reporterin unterwegs. Nun machte der Sender öffentlich, dass die LKA-Beamtin einen sogenannten Jingle produziert hat, mit dem für das Schanzenfest im August 2004 geworben wurde. Darin heißt es: »Wir können uns den öffentlichen Raum nehmen«. Doch genau das Ansinnen führte zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. »Der legitime politische Widerstand gegen die Räumung von Wagenplätzen in Hamburg und die freie politische Betätigung und Meinungsäußerung mit Hilfe auch der Wahrnehmung des Demonstrationsrechts wurde durch den Einsatz kriminalisiert und polizeilich niedergeschlagen«, schätzen die Radioleute ein.

Die Innenbehörde musste nach anfänglichem Leugnen im Januar inzwischen zugegeben, dass man damals von der Tätigkeit der Beamtin beim FSK gewusst habe. Doch sei ihr Beitrag eher unbedeutend gewesen. »Diese Version ist nicht länger haltbar«, sagte Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, und verlangte: »Die Behörde muss endlich alle Fakten auf den Tisch legen, denn der Verdacht liege nahe, dass die LKA-Beamtin als ›agent provocateur‹ eingesetzt war.« Schneider ist sich sicher, dass »ein Untersuchungsausschuss in der nächsten Legislaturperiode unausweichlich sein wird«.

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