nd-aktuell.de / 12.02.2015 / Gesund leben / Seite 10

Fehlgeleitete Antikörper

Vor 175 Jahren wurde in Deutschland erstmals Morbus Basedow beschrieben

Martin Koch
Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung, die auf einer Überfunktion der Schilddrüse beruht. Die Beschwerden, die daraus resultieren, betreffen jedoch auch andere Organe.

An der Vorderseite des Halses unterhalb des Kehlkopfes liegt die Schilddrüse. Dieses oft unterschätzte, walnussgroße Organ produziert unter anderem die Hormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4), die für den Energiestoffwechsel des Körpers ebenso unverzichtbar sind wie für das Wachstum von Zellen. Um ihre physiologischen Funktionen präzise koordinieren zu können, benötigt die Schilddrüse neben den Spurenelementen Eisen und Selen vor allem Jod, das mit der Nahrung aufgenommen wird.

Bei manchen Menschen jedoch sind aus noch weitgehend ungeklärten Gründen die biochemischen Abläufe in der Schilddrüse gestört. Und zwar dadurch, dass das eigene Immunsystem bestimmte Eiweiße auf der Schilddrüse fälschlich als körperfremd einstuft und dagegen Antikörper bildet. Deren Wirkung führt letztlich dazu, dass die Schilddrüse mehr Jod aufnimmt und ihre Hormonproduktion deutlich steigert.

Die Autoimmunerkrankung, die auf dieser Überfunktion der Schilddrüse beruht, wurde 1840 in Deutschland erstmals von dem in Merseburg tätigen Arzt Carl Adolph von Basedow (1799-1854) beschrieben und später nach ihm benannt. Über die Ursachen der Krankheit konnte Basedow indes nur spekulieren. Er vermutete, dass eine fehlerhafte Mischung des Blutes bzw. eine falsche Zusammensetzung der Körpersäfte für die beobachtete Symptomatik verantwortlich sei. Erst 1886 gelang dem deutschen Neurologen Paul Julius Möbius der Nachweis, dass es sich bei Morbus Basedow um eine Schilddrüsenerkrankung handelt.

Neben eher unspezifischen Beschwerden - die Betroffenen schwitzen, zittern, sind nervös, schlafen schlecht und verlieren an Gewicht - ist die Basedowsche Krankheit durch drei sogenannte Leitsymptome gekennzeichnet: durch einen anhaltend beschleunigten Herzschlag (Tachykardie), eine vergrößerte Schilddrüse (Struma) sowie aus den Augenhöhlen hervortretende Augen (Exophthalmus). Da bereits Basedow auf diese Symptomkonstellation hingewiesen hatte, wird sie bis heute als »Merseburger Trias« bezeichnet. Sie ist laut Statistik aber nur für etwa 50 Prozent der Basedow-Patienten typisch. Das heißt, auch wenn die Leitsymptome fehlen, kann durchaus eine Erkrankung vorliegen. Von Morbus Basedow sind Frauen rund achtmal häufiger betroffen als Männer, wobei der Erkrankungsgipfel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr liegt. Auslöser könnten die enormen hormonellen Umstellungen sein, die Frauen in diesem Alter bewältigen müssen (Schwangerschaften, Geburten, Wechseljahre etc.). Zwar spielen auch genetische Faktoren eine Rolle, denn Morbus Basedow tritt in Familien gehäuft auf. Gleichwohl führt eine erbliche Veranlagung nicht automatisch dazu, dass die Krankheit ausbricht. Hierfür müssen in der Regel weitere Belastungen hinzukommen. Das kann beispielsweise eine Infektion sein. Als Risikofaktoren gelten überdies starker Stress, Rauchen, eine übermäßige Jodaufnahme und, wie erwähnt, hormonelle Veränderungen. Allerdings gibt es auch Menschen, die bei völligem Wohlbefinden plötzlich an Morbus Basedow erkranken.

Bei etwa der Hälfte der Patienten heilt Morbus Basedow von selbst aus. Dennoch empfehlen Ärzte in allen diagnostizierten Fällen eine Behandlung mit Medikamenten, die den Spiegel der Schilddrüsenhormone im Blut senken. Eine solche Therapie dauert gewöhnlich zwölf bis achtzehn Monate. Erbringt sie nicht den gewünschten Erfolg, bleibt als Alternative häufig nur die operative Entfernung der Schilddrüse (oder großer Teile davon). Darüber hinaus findet in Deutschland auch die sogenannte Radiojodtherapie Anwendung. Dabei wird den Patienten peroral oder intravenös radioaktives Jod-131 verabreicht, das sich in der Schilddrüse anreichert und von innen heraus eine Zerstörung des veränderten Drüsengewebes bewirkt. Die Strahlung ist dabei so dosiert, dass sie den restlichen Körper kaum belastet. Die Erfolgsquote der Radiojodtherapie wird heute mit 80 bis 90 Prozent angegeben. Allerdings müssen die so behandelten Patienten ihr ganzes Leben lang Medikamente schlucken, um den erworbenen Mangel an Schilddrüsenhormonen kontinuierlich auszugleichen.