Gesetzesvorlage liegt auf Eis

Bündnis fordert Reform von Richtlinien für die Betreuung von psychisch Kranken

  • Clemens Mieth
  • Lesedauer: 3 Min.
Vereine kritisieren die fortdauernde Diskussion um eine Änderung des Gesetzes zur Hilfe von psychisch Kranken.

Die Grünen wollen eine Reform des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) auf den Weg bringen. Heiko Thomas, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus hatte am Dienstag zu einem Pressegespräch mit Vertretern des Bündnisses, das dazu angeregt hatte, geladen. Das Bündnis aus verschiedenen Vereinen und Initiativen stellte einen an Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) adressierten Offenen Brief vor. Czaja hatte im April 2014 eine Neufassung des Gesetzes vorgelegt. Seit zwei Legislaturperioden wird in Berlin über das Gesetz diskutiert, verschiedene Bundesländer haben ihre Richtlinien bereits geändert, Berlin nicht.

Eine Reform sei aber dringend notwendig, so das Bündnis. Der Offene Brief fordert den Senat unter anderem »dringend« zu einer Weiterleitung und Diskussion des Entwurfes im Abgeordnetenhaus auf, »denn im Herbst beginnen die umfangreichen Haushaltsberatungen«. Denn das eigentliche Berliner Gesetz erfülle nicht mehr die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht 2011 sowie die UN-Behindertenkonvention vorgegeben haben. Der Passus zur Zwangsbehandlung (Fixieren, Medikamentieren etc.), also einer der entscheidenden Paragrafen, müsse komplett überarbeitetet werden, so die Grünen. »Seitdem ist völlig unklar, auf welcher Rechtsgrundlage in Berliner Psychiatrien und im Maßregelvollzug behandelt werden darf«, so Thomas.

Seit sich eine Arbeitsgruppe des Landespsychiatriebeirates im Sommer 2014 zum Entwurf äußerte, ist nichts geschehen. »Es gibt praktisch keine Kommunikation mit dem Parlament«, sagt Matthias Rosemann, von der Träger gGmbH Reinickendorf, einem Verein für psychisch- und Suchtkranke. Die Grünen fürchten, dass die nötige Gesetzesänderung vergessen wird - oder, dass es eine plötzliche »Hau-Ruck-Aktion« gibt, wonach der Entwurf einfach unkommentiert angenommen wird.

Auch der Angehörigenverband psychisch Kranker im Landesverband Berlin, vertreten durch Marianne Schumacher, sieht »kein sinnvolles, ergebnisorientiertes Einbeziehen von Betroffenen und Angehörigen in den Gestaltungsprozess des Gesetzes«. Konkret geht es demnach um die Einrichtung von Besuchskommissionen, die psychiatrische Einrichtungen und die des Maßregelvollzuges kontrollieren sollen.

Denn die Zahl der Unterbringungen in den Kliniken nimmt seit Jahren zu, »auch die Zunahme der Fixierungspraktik steigt besorgniserregend«, so Reinhard Woijke, Sprecher der Organisation Psychiatrie-Erfahrener und Psychiatrie-Betroffener e.V. »Wir fordern die Wiedereinführung eines kostenfreien Rechtsbeistands. Menschen mit psychiatrischen Diagnosen dürfen nicht auf die drei ›s‹ - still, satt, sauber - reduziert werden.«

Die Unsicherheit in den Einrichtungen ist groß. »Dies führt zu unterschiedlichen Praktiken der Kliniken«, kritisiert Thomas und spricht von einer »Ökonomisierung der Psychiatrie«. »Wir verzeichnen fallpauschale Abrechnungspraktiken, mehr Zwangsmedikamentierung oder dass Kliniken leichtere Fälle lieber annehmen.« Auch sei unter den Sprechern von zu wenig Arbeitsplätzen im Pflegebereich die Rede.

Christian Reumschüssel-Wienert vom Paritätischen Wohlfahrtsverband bringt es auf den Punkt. Er bezeichnet die Forderungen nach mehr Betreuung, mehr Hilfsangeboten, mehr Rechten und Kontrollen der Kliniken als »einen gesetzlichen Auftrag für Berlin.«

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