nd-aktuell.de / 14.02.2015 / Kultur / Seite 10

Shades of Grey

Es gehört zu den unvermeidlichen Begleiterscheinung der heutigen Zeit, dass gewöhnliche Erscheinungen der Kultur von der Werbewirtschaft mit angeblich ungewöhnlichen Begebenheiten verknüpft werden, um das Banale zum Ereignis zu erheben.

So geschehen kurz vor der Weltpremiere des Films »Fifty Shades of Grey« vor wenigen Tagen in Berlin. Angeblich (man muss den Wahrheitsgehalt der Äußerungen der Werbewirtschaft stets anzweifeln) bereiten sich die Baumarktketten in Deutschland und Großbritannien auf eine steigende Nachfrage nach Kabelbindern, Seilen und Klebebändern vor. Grund dafür ist angeblich (!), dass die Zuschauer des Films, der auf dem Buch der britischen Autorin E.L. James beruht und in dem es um sadomasochistische Sexpraktiken geht, nach Verlassen des Kinos ein gesteigertes Interesse an den diesbezüglichen Werkzeugen entwickeln.

»Fifty Shades of Grey« wird hierzulande mit dem Zusatz »Geheimes Verlangen« verkauft. Ach, die Lust am Schmutzigen, am Verwerflichen, kurzum an allem, was die bürgerliche Moral verbietet und damit erst die Begierde weckt, das Tabu zu übertreten. Das wirkliche Tabu bei »Fifty Shades of Grey« aber ist nicht der Sado-Maso-Sex und das »geheime Verlangen« nach ihm. Wir müssen uns der Wahrheit anders nähern. Wörtlich heißt »Shades of Grey«: Grauabstufungen. Grau ist die wohl am häufigsten diskriminierte Farbe (sofern man sie als solche bezeichnen kann). In der Nacht sind angeblich alle Katzen grau. Grau ist jede Theorie, Pessimisten malen alles in grau, zwischen dem Legalen (dem Guten) und dem Illegalen (dem Schlechten) gibt es eine Grauzone, und ist es ein Zufall, dass in der deutschen Sprache Grau und Grauen nur zwei kleine Buchstaben auseinanderliegen?

Deshalb an dieser Stelle: Ein Lob auf die Farbe Grau. Sie ist die Symbiose von Schwarz und Weiß, treibt daher allen Schwarzsehern und Weißmalern die Zornesröte ins Gesicht. Angeblich (!) gibt es tatsächlich 50 verschiedene Grautöne. Es gibt zum Beispiel Fehgrau, Mausgrau, Moosgrau, Eisengrau und Betongrau.

Und am Sonntag, liebe Freunde des Grau(en)s, sitzen wir wieder vor dem Fernseher und werden live miterleben, wie Olaf Scholz, der König der Grauen, in Hamburg erneut zum Ersten Bürgermeister gewählt wird. Gibt es eigentlich schon den Farbton »Scholzgrau«? jam