Zwei Feinde fürs Leben

US-Studie: In den Rocky Mountains engen Wölfe den Lebensraum der Pumas ein. Von Kai Althoetmar

  • Kai Althoetmar
  • Lesedauer: 3 Min.

Als 1995 in den USA im Yellowstone-Nationalpark nach 60 Jahren wieder Wölfe angesiedelt wurden, galt das als großer Artenschutzerfolg. Die Rudel dezimierten flugs die Wapitihirsch-Population, den dortigen Erzfeind junger Bäume, und hielten den Grizzlys damit Konkurrenz bei der Beeren-Ernte vom Leib. Zudem lockten sie indirekt Biber in den Park, denn die fanden jetzt junge Bäume als Nahrung und für ihre Bauten - während zuvor kaum ein junger Trieb dem Verbiss der Wapitis entgangen war. Nur einer wurde in der Ökobilanz vergessen: der Puma. US-Forscher wiesen jetzt mit einer Langzeitstudie nach, dass den einzelgängerischen Großkatzen in der Region die Reviere ausgehen, weil sie Wolfsrudel meiden (»Journal of Zoology«, Bd. 294, S. 59). Wölfe sind vor allem für junge Pumas eine tödliche Gefahr.

Wo Wölfe neu angesiedelt werden, ziehen sich Pumas konsequent zurück. Das fanden Forscher der auf den Schutz von Großkatzen spezialisierten New Yorker Organisation »Panthera« sowie zweier Naturschutzbehörden im US-Bundesstaat Wyoming heraus. Das Team um die »Panthera«-Biologen Patrick Lendrum und Mark Elbroch hatte über zehn Jahre hinweg in den Rocky Mountains Pumas mit Radio- und GPS-Halsbändern ausgestattet, Ortungsdaten gesammelt und ihre Aufenthaltsorte analysiert. Die Katzen waren zuvor unter Mithilfe von Suchhunden aufgespürt und mit Narkosegewehr betäubt worden. Von 28 Pumas wurden die Streifgebiete im Grand-Teton-Nationalpark im Süden des Yellowstone-Naturraums ausgewertet. Die Reviere der Wölfe waren den Biologen zuvor bekannt. Die Forscher wollten herausfinden, ob den Berglöwen der Schutz vor Wolf und Mensch wichtiger ist als gutes Futterangebot. Den Menschen fürchten Pumas von Natur aus, zudem werden sie in Wyoming außerhalb der Parkgrenzen gejagt.

»Überall wählten Pumas Streifgebiete mit nur einem Sicherheitsmerkmal: Distanz zu Wölfen«, heißt es in der Studie. Die Raubkatzen wählten als Revier stets die Areale mit dem besten Nahrungsangebot, es sei denn, Wölfe waren in der Nähe.

Die Forscher erstaunte, dass die Pumas nicht die Nähe zu Straßen und damit zu menschlicher Nähe scheuten. Wie sich zeigte, stehen die Großkatzen vor einem Dilemma. Die Straßen im Park folgen Gewässern, an denen sich wiederum Wild sammelt - die Beute der Pumas.

Der Wolfseffekt beeinträchtigt laut den Forschern die Überlebensaussichten junger Pumas sowie auch ihre Chancen, später neue Reviere zu finden. Damit gerate die ganze Populationsdynamik ins Wanken. Möglicherweise federn die Pumas die Bedrohung durch Wölfe aber durch Verhaltensänderungen ab, indem sie in ihren Revieren entgegen ihrem üblichen Verhalten Artgenossen tolerieren. Lendrum und Elbroch gelangen im Grand-Teton-Park mit Kamerafallen ungewöhnliche Aufnahmen: darunter mehrfach Bilder ausgewachsener Pumas, die sich mit fremden erwachsenen Pumas die Beute teilten, ein anderes Mal Aufnahmen eines Puma-Weibchens, das die verwaisten Jungen einer geschossenen Artgenossin adoptiert hatte.

Pumas sind Generalisten bei der Wahl ihres Lebensraums. Gebirgswald, Halbwüste, Tropen, Steppe - jede Landschaft zwischen Kanada und Patagonien ist ihnen recht. So wurden sie zum Landsäugetier mit der weitesten Verbreitung in der gesamten westlichen Hemisphäre. Während Pumas in Mittel- und Südamerika durch Wilderei und Zerstörung von Lebensraum unter Druck stehen, breiten sie sich in den USA wieder nach Osten aus und sind in vielen Staaten des Mittleren Westens erneut heimisch. 2011 machte ein zugewanderter Puma Schlagzeilen, der es bis an die Nordostküste der USA geschafft hatte und auf einer Autobahn in Connecticut totgefahren wurde.

Pumas sind nicht die ersten Raubtiere, für die die Rückkehr des Wolfs in die Yellowstone-Region Folgen hat. Vor Jahren hatten Zählungen ergeben, dass sich die Zahl der Kojoten im Yellowstone-Park binnen einer Dekade nach dem Comeback der Wölfe halbiert hatte. In zentralen Wolfsgebieten war sie gar um 90 Prozent gesunken.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal