Lösung ohne NATO und USA

Lob für Unterhändler Putin

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

Russische Politiker und staatsnahe Medien feiern Kremlchef Wladimir Putin nach dem Gipfel in Minsk als Friedensfürsten. Abschlusserklärung und Waffenstillstandsabkommen hätten die Mär, wonach Russland der Aggressor ist, endgültig demontiert, freute sich der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Angelegenheiten der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS. Leonid Sluzki. Auch habe die Weltöffentlichkeit endlich begriffen, dass der Konflikt sich zu militärischer Konfrontation jenseits der Grenzen der Ukraine auswachsen könne.

Konstantin Kossatschow, der Chef des Auswärtigen Ausschusses im Senat, ist weniger optimistisch. Die »Partei des Krieges in Kiew« habe sich nicht in Luft aufgelöst. Teile der ukrainischen Gesellschaft könnten den Minsker Kompromiss als Kapitulation wahrnehmen. Das Parlament werde Poroschenko daher bei der geplanten Verfassungsreform nicht unterstützen. Er könnte zwar versuchen, das Verhandlungsergebnis als »provisorisch« zu verkaufen und sich die Option einer Revanche offen lassen. Das aber würde ihn innenpolitisch weiter schwächen und das Vertrauen Europas kosten.

In Minsk sei lediglich eine Minimallösung erzielt worden, warnt auch der Vorsitzende des außenpolitischen Duma-Ausschusses Alexej Puschkow. Vom Anfangsstadium einer tragfähigen Lösung könne man erst sprechen, wenn der Waffenstillstand hält und sich einschlägige Garantien Europas dafür sowie für die Truppen-Entflechtung als stabil erweisen

Erstmals, so der Tenor, sei es Russland gelungen, in Europa eine Friedenslösung ohne die NATO und deren Führungsmacht USA durchzudrücken. Damit werde ganz im Sinne Moskaus die Rolle der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE aufgewertet. Auch bekomme Moskaus Plan für einen gemeinsamen europäischen Sicherheitsraum eine neue Chance, glaubt der Publizist Maxim Schewtschenko. Vorausgesetzt, die Waffenruhe trägt, wovon hänge auch der Beginn von Schritten zu realem politischen Konfliktmanagement ab.

Das Waffenstillstandsabkommen, geben mehrere überregionale Blätter zu bedenken, sei nur von der Kontaktgruppe unterzeichnet worden, in der die Separatisten unter OSZE-Ägide mit subalternen Beamten aus Moskau und Kiew verhandelt hätten. Ob die Staatschefs als Garanten der Abmachungen willens und in der Lage sind, die Einhaltung zu erzwingen, werde sich bei Debalzewo entscheiden. Die Siedlung hat als Eisenbahnknotenpunkt strategische Bedeutung. Separatisten wie ukrainische Regierungstruppen, warnt die »Nesawissimaja Gaseta«, könnten daher versucht sein, die Kämpfe nach Inkrafttreten der Waffenruhe Sonntag um Mitternacht fortzusetzen.

Waffenstillstandsabkommen und Abschlussdeklaration würden zu wenig konkrete Verpflichtungen enthalten, rügte auch Russland außenpolitischer Vordenker Fjodor Lukjanow und erklärte das Phänomen mit nach wie vor sehr unterschiedlicher Interessenlage. Dass es Putin dennoch gelungen sei, einen Passus durchzudrücken, der Russland bescheinigt, nicht selbst Konfliktpartei zu sein, sei daher ein weiterer außenpolitischer Sieg Moskaus.

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