Wo Kinder lieb und sehr teuer sind

In Sachsen-Anhalt gibt es erneut Aufregung um steigende Elternbeiträge für Kita und Hort

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Eltern in Sachsen-Anhalt müssen für die Kinderbetreuung mehr zahlen. Das Land weist die Schuld dafür von sich. Die Kommunen müssen präziser rechnen - und haben nichts mehr zuzusetzen.

Montagsdemo in Benndorf: Rund 250 Menschen machten kürzlich in der Verbandsgemeinde Mansfelder Grund/Helbra (Landkreis Mansfeld-Südharz) ihrem Unmut bei einem Umzug Luft. Es gab Pfiffe, Sprechchöre und Transparente. Anlass des Protests: Eltern, die ihre Kinder in Kita oder Hort betreuen lassen, sollen tiefer in die Tasche greifen - teils viel tiefer. In einigen Fällen steigen die Kosten auf das Doppelte; der teuerste Platz kostet künftig 295 Euro.

Benndorf ist kein Einzelfall. Auch in anderen Orten in Sachsen-Anhalt beraten Gemeindevertreter über höhere Elternbeiträge oder haben diese schon beschlossen. In der Linksfraktion im Landtag ist die Rede von einer »zweiten Welle« der Kostensteigerung. Eine erste »flächendeckende« Anhebung habe es 2013 gegeben, als das Gesetz zur Kinderbetreuung (Kifög) geändert wurde. Auch in diesen Tagen wird die Novelle oftmals als Grund allen Übels ausgemacht: Ihretwegen müssten die Eltern stärker zur Kasse gebeten werden, heißt es vielerorts.

Derlei Slogans seien »ehrabschneidend«, sagt Holger Paech, Sprecher von Sozialminister Norbert Bischoff (SPD). Zwar habe das Gesetz zu steigenden Kosten geführt. Es sieht vor, dass auch Kinder von Erwerbslosen wieder ganztags betreut werden können, der Personalschlüssel etwas verbessert und Familien mit mehreren Kindern entlastet werden. Diese Mehrkosten, betont Paech, übernehme aber das Land: »Wir bezahlen alles, was wir bestellt haben.« Lagen die Landeszuschüsse 2012 noch bei 184 Millionen Euro, werden es im nächsten Jahr 254 Millionen sein. Ob das tatsächlich reicht, wird sich allerdings erst bei einer Evaluation Ende 2016 zeigen, heißt es bei der LINKEN. Es sei »nicht auszuschließen«, dass die tatsächlichen Kosten höher lägen als vom Land errechnet.

Zudem sind mit dem Gesetz auch Verfahren geändert worden. Zuständig für die Kinderbetreuung sind nicht mehr die Kommunen, sondern die Landkreise - die mit den Trägern der Kitas und Horte vorab und detaillierter als bisher über die »tatsächlichen Platzkosten« verhandeln müssen, erklärt Michaela Heilek vom Landratsamt Mansfeld-Südharz. In die Rechnung fließen zahlreiche Faktoren ein: das Personal, eventuell steigende Gehälter, Kosten für Weiterbildung oder Reinigung. Manche der Posten, etwa für Altersteilzeit oder Abschreibungen, seien bisher »nur teilweise berücksichtigt« worden, sagt Heilek. Für die Hälfte der Kitas im Landkreis seien die Gespräche abgeschlossen; fast überall werden die Kosten für die Eltern steigen.

Das liegt auch daran, dass im Gesetz jetzt genau geregelt ist, wer sich in welchem Umfang an der Finanzierung der Kinderbetreuung beteiligt. Land und Landkreise zahlen jeweils feste Zuschüsse. Alles, was damit nicht gedeckt ist, teilen sich Kommunen und Eltern - wobei letztere höchstens 50 Prozent übernehmen müssen. Bisher lag ihr Anteil indes oft niedriger und der der Gemeinde höher, sagt Bernd Skrypek (CDU), Bürgermeister von Mansfelder Grund/Helbra. Oft trug die Gemeinde eventuelle Defizite am Jahresende; zudem übernahmen sie kleine Dienstleistungen, ohne auf jeden Cent zu schauen. In klammen Gemeinden ist damit Schluss: Dort achtet die Kommunalaufsicht sehr genau darauf, dass nicht mehr als die minimal vorgeschriebenen 50 Prozent übernommen werden. Schon das sei schwer, sagt Skrypek: Weil die Kosten insgesamt klettern, wächst der Zuschuss der Verbandsgemeinde für die acht Kitas von 900 000 auf 1,5 Millionen Euro - »ein stattlicher Betrag«.

Stattliche Beträge kommen freilich auch für manche Eltern zusammen. Einkommensschwachen Familien greift zwar der Landkreis unter die Arme. Das betrifft derzeit fast jedes dritte Kind und kostet drei Millionen Euro pro Jahr, sagt Heilek. Eltern, die knapp oberhalb der Schwelle liegen, müssen die Steigerungen aber allein bewältigen, sagt Skrypek: »Es trifft Leute, die arbeiten gehen, aber von ihrem Lohn am Ende fast nichts übrig behalten.« Viele überlegten nun, ihre Kinder kürzer in Kita oder Hort zu schicken, um Kosten zu sparen.

Eine absurde Entwicklung, sagt die FDP-Frau Lydia Hüskens: Das Gesetz sollte die Rückkehr zum Ganztagsanspruch ermöglichen - der aber für manche Eltern nun durch die finanzielle Hintertür »eingeschränkt oder ganz verwehrt« werde. In der Analyse der Linksfraktion wird empfohlen, die Eltern von Kita-Kindern etwas mehr in die Pflicht zu nehmen, um für Entlastung bei den besonders teuren Krippenplätzen zu sorgen. An der Tatsache, dass die Kosten steigen, ändert das freilich auch nichts.

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