Ein Fall von chronischer Verstopfung

Mit der Schiersteiner Brücke zwischen Mainz und Wiesbaden fällt eine Hauptverkehrsader der Region aus

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Sperrung der maroden Schiersteiner Brücke zwischen Wiesbaden und Mainz nervt Pendler. Und befeuert gleichzeitig die Debatte um Sanierungsbedarf und Kosten der Verkehrsnetze.

Seit Mittwoch schon ist die Schiersteiner Autobahnbrücke zwischen den Landeshauptstädten Mainz und Wiesbaden über den Rhein gesperrt, in der Region herrscht ein beispielloses Verkehrschaos. Kurz vor der Sperrung hatte sich an der zur Rheinquerung führenden Vorlandbrücke in Mainz-Mombach ein Pfeiler geneigt, ein Lager löste sich. In der Folge senkte sich die Fahrbahn um rund 30 Zentimeter. Dem Vernehmen nach will die rheinland-pfälzische Behörde »Landesbetrieb Mobilität« auf Basis neuer Gutachten bis Mittwoch bekannt geben, wie lange die Sperrung des maroden Bauwerks andauern wird.

Den Zustrom von Fastnachtsfans aus Westhessen zum traditionellen Mainzer Rosenmontagsumzug dürfte die Brückensperrung kaum gebremst haben. »Es hat sich herumgesprochen, dass die Brücke nicht befahrbar ist«, so ein Wiesbadener Polizeisprecher am Montag auf »nd«-Anfrage. »Die Leute können sich darauf einstellen und eine alternative Route oder öffentliche Verkehrsmittel wählen.« Da am Rosenmontag auf beiden Rheinseiten Schulen geschlossen blieben und viele Berufstätige sich einen Tag frei nahmen, war der Andrang von Pendlern ohnehin deutlich geringer.

Am Mittwoch hatte der plötzliche Verkehrsnotstand die Kraftfahrer kalt erwischt, zigtausend Menschen steckten stundenlang im Stau, Anwohner hatten unerträglich »dicke Luft« zu ertragen. Der Stillstand bremste auch Buslinien aus. Rheinabwärts gelegene Fähren bei Ingelheim und Bingen konnten den unerwarteten Andrang nicht bewältigen. Die Behörden in Rheinland-Pfalz und Wiesbaden riefen zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel auf. Die Deutsche Bahn setzte mehr Nahverkehrszüge aufs Gleis und gab vorerst die ICE und IC-Fernverkehrszüge zwischen beiden Nachbarstädten auch für Inhaber von Nahverkehrstickets frei - eine Regelung, die im Bahnland Schweiz seit Langem selbstverständlich ist. Die Schiersteiner Brücke dient seit 1962 als Rheinquerung. Sie war damals für 20 000 Fahrzeuge pro Tag ausgelegt und wurde zuletzt werktags von bis zu 90 000 Fahrzeugen benutzt. Weil der Schwerlastverkehr stetig zunahm und ein Lkw nach Schätzung von Fachleuten so viel Verschleiß anrichten dürfte wie 15 000 Autos, laufen seit Jahren direkt neben der alten Brücke die Arbeiten für eine neue Rheinquerung, die 2019 fertig sein soll.

Die Schiersteiner Brücke steht für den landes- und bundesweiten Zustand der Infrastruktur. Hessenweit seien rund 600 Brücken sanierungsbedürftig, sagt Burkhard Vieth von der Straßenverwaltung »Hessen mobil«. Während sich Regierungspolitiker im SPD-geführten Rheinland-Pfalz und im CDU-geführten Hessen gegenseitig die Verantwortung zuschieben, fordert Hessens FDP eine weitere regionale Straßenbrücke rheinabwärts. Hessens LINKE sieht alle bisherigen Regierungsparteien in Bund und Land in der Verantwortung und die Brückensperrung als Mahnung für eine Verkehrsverlagerung weg von der Straße. »Unter dem Mantra von Schuldenbremse und Schwarzer Null werden seit Jahren dringend notwendige Investitionen nicht nur in den Ausbau, sondern auch in den Unterhalt der Verkehrswege verschleppt«, so LINKE-Fraktionschefin Janine Wissler. »Ohne angemessene Besteuerung von Konzernen und großen Vermögen drohen uns in den nächsten Jahren noch viele kaputte Brücken.«

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