Der amerikanische Fellini

Im Kino: »Altman« von Ron Mann

  • Marc Hairapetian
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Begriff »kafkaesk« bedeutet: »in der Art der Schilderungen des Schriftstellers Franz Kafka, auf rätselhafte Weise unheimlich, bedrohlich«. Doch was meint »altmanesk«, ein Wort das unter US-Cineasten immer häufiger gebraucht wird? Sicher, es hat mit dem am 20. November 2006 im Alter von 81 Jahren verstorbenen Regisseur Robert Altman zu tun. Einer genaueren Definition geht der kanadische Regisseur Ron Mann nun in seiner »Altman« betitelten Dokumentation nach, in der er berühmte Zeitzeugen dazu befragt.

Schauspieler Elliott Gould übersetzt »altmanesk« beispielsweise folgendermaßen: »Leben, Freiheit und das Streben nach Wahrheit«. Der im letzten Jahr freiwillig aus dem Leben geschiedene Komiker und Charakterdarsteller Robin Williams sagt knapp: »Auf Überraschungen gefasst sein«, während Action-Held Bruce Willis süffisant ergänzt: »Hollywood in den Hintern treten«.

Neben diesen Einsprengseln geht das Porträt über den Ausnahmekünstler, der 1957 mit der Dokumentation »Die James-Dean-Story« sein erstes Werk vorlegte, streng chronologisch vor, wobei Ron Mann auf die Unterstützung von Altmans Witwe und langjähriger Mitarbeiterin Kathryn Reed Altman zählen konnte. Sie stellte ihm auch zahlreiche Home-Videos zur Verfügung, in denen ihr verstorbener Gatte in seiner gewohnt nonchalanten Art nochmals selbst zu Wort kommt.

Der Schöpfer von Klassikern des »New Hollywood« wie »Nashville« (1975), »Buffalo Bill und die Indianer« (1976) oder »Quintett« (1979) hatte Zeit seines Lebens Probleme, Geld für seine Filme aufzutreiben, drehte aber seit »Countdown: Start zum Mond« (1968), wo er die Technik der sich überlappenden Dialoge in sein Schaffen einbaute und dafür von Studio-Chef Jack L. Warner gefeuert wurde, fast jedes Jahr einen Film. Aufgrund der Schwierigkeiten mit Warner Brothers kritisierte Autorenfilmer Altman fortan vehement das Studiosystem von Hollywood, welches ihn wiederum beharrlich ignorierte. Dennoch gelang ihm mit der Militärsatire »M*A*S*H« 1970 der endgültige Durchbruch, und das, obwohl sein Produzent darauf bestand, den Film im Koreakrieg anzusiedeln und eben nicht in Vietnam. »Natürlich« weigerte sich Altman erfolgreich und drehte so einen der prägendsten Filme der Vietnamkriegs-Epoche. Ähnliches gelang ihm später mit »The Player« (1992) und »Short Cuts« (1993), die episodenhaft den zerstreuten, etwas orientierungslosen Beginn der 1990er Jahre samt Niedergang der amerikanischen Kulturszene abbildeten.

Doch Altman konnte auch ohne allzu großen Anspruch einfach nur unterhalten wie etwa in »Gosfork Park« (2001). Dazwischen lagen auch zahlreiche Flops wie die grauenhafte Musikkomödie »Popeye - Der Seemann mit dem harten Schlag« (1980) - und Niederlagen: Bei sieben Academy-Award-Nominierungen als Regisseur und Produzent konnte Altman »nur« kurz vor seinem Tod noch einen Ehren-Oscar ergattern.

Private Anekdoten - so setzte der »amerikanische Fellini« schon einmal 10 000 Dollar auf ein Football-Spiel - sind in Ron Manns sehenswerter Dokumentation auf ein Minimum reduziert. Es war eine gute Entscheidung des Regisseurs, sich Altman, der am 20. Februar seinen 90. Geburtstag feiern würde, über dessen Werk zu nähern.

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