Keine erste Wahl

Prokopis Pavlopoulos als Kompromiss für das griechische Präsidentenamt

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Das griechische Parlament trat am Mittwochabend zur Wahl eines neuen Staatspräsidenten zusammen. Die Wahl des Konservativen Pavlopoulos galt dabei als sicher.

Der Beifall war verhalten, als der Regierungschef am Dienstagnachmittag seinen Kandidaten für das Amt des griechischen Staatspräsidenten bekannt gab. Etwa die Hälfte der 149 SYRIZA-Parlamentarier reagierte versteinert auf die Nominierung des am 10. Juli 1950 geborenen Juraprofessors Prokopis Pavlopoulos. Viele hatten gehofft, Alexis Tsipras werde sich in letzter Minute doch noch für einen Kandidaten aus dem linken Lager entscheiden. Der ehemalige Innenminister unter Kostas Karamanlis gehört jedoch der konservativen Nea Dimokratia (ND) an.

Dabei zählt die Wahl eines Kandidaten aus dem Lager der Opposition zum guten politischen Ton in Griechenland. Mit ihr soll die Stellung des Präsidenten als Vertreter aller Griechen betont werden. Genau dies sei in der jetzigen Situation laufender Verhandlungen, in denen die Regierung sich auf die Zustimmung der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung stütze, besonders wichtig, begründete Tsipras seine Wahl in der Fraktionssitzung am Dienstag. »Mit Interesse« habe er den Vorschlag für einen linken Kandidaten in Erwägung gezogen, ihn aber letztendlich verworfen, sagte der Regierungschef. Denn die Linke habe sich »insbesondere in kritischen Momenten nie hochmütig gezeigt«.

Die Entscheidung für Pavlopoulos wurde erst wenige Stunden zuvor getroffen, nachdem sich die Widerstände gegen den eigentlichen Favoriten Dimitris Avramopoulos als zu groß erwiesen hatten. Der ebenfalls zur ND gehörende EU-Kommissar wurde nicht nur von Parteilinken abgelehnt. Auch in Brüssel drängte man auf einen anderen Kandidaten, da eine Wahl von Avramopoulos den Weg für einen SYRIZA-EU-Kommissar freigemacht hätte. Dieser Druck dürfte letztendlich ausschlaggebend für den Rückzieher von Tsipras gewesen sein. Denn wesentliche politische Vorteile für die SYRIZA-Linken hat der aus Kalamata stammende Verfassungs- und Verwaltungsrechtler gegenüber dem EU-Kommissar nicht zu bieten. Im Gegenteil. Als Innenminister 2004 bis 2009 sorgte Pavlopoulos dafür, dass Zehntausende Parteigänger Festanstellungen im öffentlichen Dienst erhielten. Der Professor führte dazu ein Vorstellungsgespräch für Kandidaten auf staatliche Stellen ein, die bis dahin mithilfe objektivierter Kriterien und schriftlicher Prüfungen vergeben wurden.

Geradezu sprichwörtlich wurde ein offensichtlicher Mangel an Zivilcourage des langjährigen Abgeordneten. Als der Vizechef der neofaschistischen Chrysi Avgi, Ilias Kasidiaris, im Juni 2012 vor laufender Kamera die beiden linken Kolleginnen Rena Dourou und Liana Kanelli tätlich angriff, rührte der neben Dourou sitzende Pavlopoulos keinen Finger. »Ich wurde zu Pavlopoulos« ist seither Redensart für die Unfähigkeit, auf eine Situation angemessen zu reagieren.

Auch die von vielen in SYRIZA und ihrem Koalitionär ANEL eingeforderte »Memorandumsgegnerschaft« bringt der von 1996 bis 2012 für die ND ins Parlament gewählte Pavlopoulos nicht mit. Zwar stimmte er - gemäß der Parteilinie - aus der Opposition gegen die jeweiligen Gläubigervereinbarungen in den Jahren 2010 und 2011. Im Februar 2012 jedoch gab er zusammen mit seinen Fraktionskollegen nunmehr einer regierenden Nea Dimokratia im Kabinett Papademos der dritten Gläubigervereinbarung seine uneingeschränkte Zustimmung. Erst nachdem Pavlopoulos zu den Wahlen am 25. Januar dieses Jahres nicht mehr angetreten war, entwickelte der ND-Politiker ein memorandumsfeindliches Profil, indem er öffentlich Entscheidungen des Regierungschefduos Samaras/Venizelos kritisierte.

Trotz aller Vorbehalte haben die Parteilinke und ANEL bekundet, den Wunschkandidaten von Tsipras mitzutragen. Auch die ND wird den aus eigenen Reihen stammenden Politiker unterstützen. Es war daher davon auszugehen, dass Pavlopoulos bei der am Mittwochabend stattfindenden Wahl 238 Stimmen bekommt, weit mehr als die benötigten 180 der insgesamt 300 Parlamentarier. Der von PASOK und Potami nominierte Verfassungsrechtler Nikos Alivizatos konnte als Gegenkandidat wohl maximal die 30 Stimmen der beiden Parteien auf sich vereinen.

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