Bärendienst für bedrängte Ministerin

Solidaritätsaktion Kieler Richter wird zum Politikum

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die gescheiterte Geiselnahme an Heiligabend in der Lübecker Justizanstalt, in deren Nachgang bereits Schleswig-Holsteins Justizministerin Anke Spoorendonk (Südschleswigscher Wählerverband) in Bedrängnis geriet, hat nun auch Folgen im Justizapparat. Weil zwei Spitzenrichter des Landes versucht hatten, der Ministerin mit einer Solidaritätserklärung beizustehen, wird nun ein dienstrechtliches Vorgehen gegen die beiden Juristen geprüft. Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) selbst hat das Justizministerium dazu angewiesen.

Vorausgegangen war die auszugsweise Veröffentlichung eines brisanten E-Mail-Verkehrs durch die »Kieler Nachrichten«. Demnach haben die Präsidentin des Oberlandesgerichtes, Uta Fölster, sowie der Präsident des Landesverfassungsgerichts, Bernhard Flor, am 30. Januar versucht, neun andere Gerichtspräsidenten dafür zu begeistern, der Ministerin eine Vertrauenserklärung zukommen zu lassen. Dabei blitzten die Initiatoren zwar bei ihren Kollegen ab, so dass es beim Versuch blieb. Doch schon wegen der Planung des Ansinnens müssen sich Fölster und Flor nun dem Vorwurf stellen, ihre juristische Unabhängigkeit für eine politische Einmischung missbraucht zu haben. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum gesamten Themenkomplex rückt damit immer näher.

FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki, selbst Strafverteidiger und entsprechend juristisch bewandert, spricht von einem ungeheuerlichen und einmaligen Vorgang, dass Fölster und Flor kraft ihres Amtes den Versuch gestartet hatten, sich in einen politischen Streit einzumischen. Für ihn handelt es sich bei dem Vorgang um einen klaren Verstoß gegen das Richtergesetz. Er verglich das Verhalten der beiden Spitzenrichter gar mit der willfährigen Justiz in Diktaturen. FDP-Landesvorsitzender Heiner Garg forderte unterdessen Flor und Fölster auf, ihre Ämter niederzulegen. Garg: »Wer das Prinzip der Gewaltenteilung dermaßen mit Füßen tritt, hat in hohen Ämtern der Justiz nichts zu suchen.«

Die offenbar gut gemeinte Aktion der beiden obersten Richter gegenüber ihrer Dienstherrin ist damit vollends nach hinten losgegangen. Ministerin Spoorendonk erklärte auf »nd«-Anfrage, die fragliche »Erklärung ist weder von mir, noch von meinem Haus initiiert worden. Ich bin über diesen internen Meinungsbildungsprozess der Präsidentinnen und Präsidenten informiert worden. Ich stelle fest, dass es im Ergebnis keine Erklärung gegeben hat. Ob sich aus einer nicht abgegebenen Erklärung dienstrechtliche Konsequenzen ergeben, lasse ich zur Zeit prüfen.«

Die weihnachtliche Geiselnahme im Lübecker Gefängnis Lauerhof - mehrere Häftlinge brachten für kurze Zeit einen Justizbediensteten in ihre Gewalt, wurden dann aber überwältigt - , und alle Begleitumstände dazu beschäftigen auch die Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt wegen einer möglichen Strafvereitelung gegen die vorerst abberufene Anstaltsleiterin Agnete Mauruschat, die sich bei der Geiselnahme gegen eine sofortige Benachrichtigung der Polizei ausgesprochen hatte.

Unterdessen sind auch Vorwürfe gegen Strafvollzugsbeamte laut geworden. Diese sollen den Haupttäter der Geiselnahme nach dessen Überwältigung mehrfach getreten haben, als dieser bereits kampfunfähig am Boden lag. Der Kieler Landtag wird sich spätestens am Freitag mit dem Themenkomplex beschäftigen.

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