nd-aktuell.de / 21.02.2015 / Reise / Seite 30

Unterwegs im Unergründlichen

Im Winter ist die Sächsische Schweiz menschenleer. Ein Glück

Jirka Grahl
Wanderer über dem Nebelmeer: die Bastei im Februar 2015
Wanderer über dem Nebelmeer: die Bastei im Februar 2015

Schon mit der Anreise nach Rathen setzt Beruhigung ein: Nach kurvenreicher Serpentinenabfahrt wird das Auto linkselbisch abgestellt, in Oberrathen. Die schieren Ausmaße des halbbetonierten Parkplatzes verraten, welche Menschenmassen sich hier im Sommer tummeln - im trüben Februar indes reihen sich hier nur zwei Dutzend Autos aneinander.

Motor aus, Türen auf, Durchatmen. Allein die Elbe ist zu hören - schwappend, murmelnd, glucksend. Wir tragen die Koffer zur alten Gierseilfähre, die durch Wasserkraft zur anderen Seite gelangt. Das Schiff hängt an einem hundert Meter langen Drahtseil, die schnellfließende Elbe schiebt es von einem Ufer zum anderen. Der Fährmann muss dazu mit einer quietschenden Seilwinde den Anstellwinkel der Fähre zum Fluss verändern. 322 Mann kann dieser kleine Eisenkatamaran übersetzen, verrät ein Schild. Die Überfahrt ist kurz, sie reicht kaum aus, um den Rundumblick zu genießen. Vor uns türmt sich die Bastei auf, daneben schimmern die Weißen Brüche, hinter uns liegt der majestätische Lilienstein, die Tafelbergschönheit.

Seit hundert Millionen Jahren gibt es diese formenreiche Bergwelt aus Sandstein, doch bis vor etwas mehr 200 Jahren hatte das Gebirge noch nicht einmal einen Namen. Dresdener Hofmaler entdeckten schließlich das Naturwunder an der Elbe, die Romantiker folgten und ergötzten sich an dem pittoresken Felsenreich der Sächsischen Schweiz. Auf ihren Kupferstiche, Aquarellen und Ölgemälden bewundern sie das Unergründliche, das die tiefen Schluchten und dunklen Wäldern in sich bargen. Bis heute kommen jedes Jahr Hunderttausende in die Sächsische Schweiz: Wandern, Klettern, Luftholen.

Aufbruch am nächsten Morgen. Auf den ersten Metern am Elbufer wärmt uns die Sonne das Gesicht, bis uns das weiß-grün-weiße Wegzeichen schon bald in verschlungene, kleine Täler führt. Wir sind allein, ein einsames Paar, das kühle, schneebetupfte Gründe durchwandert. Gründe, so heißen die Täler hier. Amselgrund, Höllgrund, Halbengrund, Saugrund. In ihren Namen schwingen Geschichten mit. Am Pionierweg wiederum erinnert eine gemeißelte Inschrift an jene, die diesen breiten Weg begehbar machten, »Pioniere des 12. Bataillons« im Jahre 1895.

Wir sind schon zwei Stunden unterwegs, ohne einen Menschen zu treffen, als wir den Hockstein erreichen. 291 Meter hoch, mit Resten einer mittelalterlichen Wehranlage. Eine dünne Eisschicht überzieht die steinerne Brücke, die zu einer spektakulären Aussicht führt - 115 Meter überm Tal. Wir laufen vorsichtig, bemessen jeden Schritt genau. Vom Aussichtspunkt blicken wir die Burg Hohenstein gegenüber und hinab ins Polenztal, wo sich der Übergang der »Lausitzer Überschiebung« zum Sandstein zeigt: Granit flussaufwärts, Sandstein flussabwärts.

Beim Abstieg in die Wolfsschlucht macht sich die Menschenleere ganz praktisch bezahlt. Schmale Eisentreppen führen zwischen zwei Quarzdurchsetzen Felsen herab, der einzige Weg nach unten ins Tal der Polenz. Auf den bis zu 40 Meter langen Stiegen möchte man besser keinen Gegenverkehr haben. Als wir schließlich den Weg nach unten beginnen, frischt der Wind auf und Graupel setzt ein - kleine weiße Körner rieseln wie Reis auf uns nieder, und hüpfen kurz gegen die Schwerkraft, ehe sie wie Miniaturbälle weiter abwärts segeln.

Es ist ziemlich plötzlich kalt geworden, die Sichtweite beträgt nur noch wenige Meter. Wir spüren die Erhabenheit dieser Berge wie sie die Romantiker einst gefühlt haben müssen. »Ich muss allein bleiben und wissen, dass ich allein bin, um die Natur vollständig zu schauen und zu fühlen«, schrieb einst der Größte unter ihnen, Caspar David Friedrich. Längst haben auch wir eine Ahnung vom Mysterium der Landschaft.

Durchs Tal des Flüsschens Polenz bemoosten Bäumen eilen wir nun - wir wollen noch unser Ziel, den Brand erreichen, ein Felsplateau, dessen Aussicht zu den spektakulärsten in der Sächsischen Schweiz gehören soll. Vor allem aber soll die dortige Brandbaude geöffnet sein. Der Brand liegt auf 317 Meter Meter Höhe, was noch einmal einen Aufstieg bedeutet. Die Städter werden langsam zu müde. Um uns abzulenken, schmieden wir schnaufend Pläne für ein ganzes Jahr.

Wir können die Baude schon sehen, da geschieht es schließlich doch noch: Wir treffen auf Menschen. Ein Paar kommt uns entgegen, zwei Hunde an der Leine. Ihr »Guten Tag!« klingt seltsam deplatziert, unseres nicht minder.

In der Baude aber hat alles schon wieder seine Ordnung: Wir sind die einzigen Gäste. »Was mechten Sie?« fragt die Kellnerin, die aus Tschechien stammen muss. Mit roten Wangen bestellen wir Kaffee, Kaiserschmarrn und Königsteiner Knackwurst. Durchs riesige Panoramafenster blicken wir kilometerweit und schweigen. Wir schauen Natur.

Infos

Tourismusverband Sächsische Schweiz e.V., Bahnhofstr. 21, 01796 Pirna
Tel.: (03501) 47 01 47; E-Mail: info@saechsische-schweiz.de[1]
www.saechsische-schweiz.de[2]

Wintersterne-Aktion: 2 Übernachtungen mit Frühstück pro Person im DZ für 64,00 € im 3*** Hotel, für 86,00 € im 4**** Hotel (gültig bis 31. März).
www.winter-sterne.de[3]

Allgemeine touristische Infos zu Sachsen:
www.sachsen-tourismus.de[4]

Links:

  1. info@saechsische-schweiz.de
  2. http://www.saechsische-schweiz.de
  3. http://www.winter-sterne.de
  4. http://www.sachsen-tourismus.de