»Wir können das Glücksniveau objektiv messen«

Ein tragbarer Sensor einer japanischen Firma registriert jede Bewegung von Angestellten und soll die Produktivität in Firmen steigern

  • Susanne Steffen, Tokio
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Tochter des japanischen Elektronikriesen Hitachi hat einen tragbaren Sensor entwickelt, der das Glück misst. Wenn das Gerät auf den Markt kommt, könnten auch Personalchefs profitieren.

Auf den ersten Blick sieht der kreditkartengroße Glückssensor aus wie der übliche Firmenausweis. Japanische Angestellte tragen den meist um den Hals. 50 mal pro Sekunde messen die eingebauten Sensoren, ob der Mitarbeiter gerade sitzt, steht, sich unterhält, nickt oder tippt. Keine Bewegung entgeht den Sensoren. In Echtzeit werden diese Daten aller Träger an Cloud-Server gesendet, wo mittels eines sogenannten Glücksalgorithmus errechnet wird, wie glücklich die gesamte Gruppe gerade ist.

Die genaue Glücksformel gibt Hitachi nicht preis, doch forschen das Unternehmen und seine Tochtergesellschaften bereits seit Jahren an Techniken, mit denen Glück quantifizierbar gemacht werden kann. Laut der Hitachi-Forschung äußern Gruppen ihr Glück durch bestimmte Bewegungsmuster. Anhand der Bewegungsdaten der einzelnen Mitarbeiter werden gruppenspezifische Muster erstellt und mit Mustern von Gruppen verglichen, die durch herkömmliche Befragungstechniken für glücklich befunden wurden.

»Früher mussten sich Unternehmen, die wissen wollten, wie glücklich ihre Mitarbeiter sind, auf Umfragen oder persönliche Gespräche verlassen. Mit dieser Technologie können wir das Glücksniveau objektiv und in Echtzeit messen«, schwärmte Hitachi-Forscher Kazuo Yano jüngst in japanischen Medien. Wenn die Daten gut ausgewertet werden, reichen manchmal offenbar bereits kleine Veränderungen, um das Glücksniveau im Büro deutlich zu steigern. So wie in dem Call Center, in dem die Hitachi-Forscher ihre Technologie getestet haben. Dort hatte die Analyse der Bewegungsdaten ergeben, dass die Mitarbeiter, die in ihren Pausen die anregendsten Gespräche hatten, auch die glücklichsten waren.

Wenn das Unternehmen nun zum Beispiel die Pausenregelung ändern würde, so dass möglichst Mitarbeiter des gleichen Alters gemeinsam Pause hätten, würden möglicherweise mehr Mitarbeiter ihre Pause genießen, was zu einem höheren Glücksniveau im Büro führen würde, erklärt Yano.

Ein höheres Glücksniveau der Abteilung führe letztlich auch zu besserer Produktivität der Mitarbeiter, so die These der Hitachi-Forscher mit Verweis auf entsprechende Forschungsarbeiten. Der amerikanische Glücksforscher Shawn Achor behauptet gar nach zwölf Jahren Glücksforschung an der renommierten Harvard-Universität, dass glückliche Gruppen um gut ein Drittel produktiver und dreimal so kreativ sind als weniger glückliche.

Wer seine Mitarbeiter mit dem neuen Hochtechnologiegerät, das im April auf den Markt kommt, glücklich machen und seinen Gewinn steigern will, darf aber nicht geizig sein. Pro Mitarbeiter kostet das System 100 000 Yen (737 Euro) pro Jahr. Da es nicht darum gehe, das Glück des einzelnen Mitarbeiters zu messen, sondern das der gesamten Gruppe, seien mindestens fünf Mitarbeiter nötig, damit das System sinnvoll sei, erklärt Hitachi.

Bei tausend und mehr Mitarbeitern rechnet Hitachi mit besonders großem Erfolgssteigerungspotenzial. Hitachi-Manager schwärmen bereits von den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Glücksmesser. So sei etwa ein neuer Produktivitätssteigerungsservice denkbar. Oder die Glücksmesser könnten in Gesundheits- und Antidepressionsprogrammen von Firmen eingesetzt werden.

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