Nichts mit Nazis

Bei den Oscar-Verleihungen in Los Angeles war die Komödie «Birdman» der große Gewinner

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 2 Min.

Heute Nacht begrüßen wir Hollywoods beste und weißeste - Entschuldigung, beste und begabteste Künstler.« Der Moderator der Oscar-Gala vom vergangenen Sonntag, Neil Patrick Harris, wollte wohl gleich etwas Dampf aus dem Kessel nehmen. Und so eröffnete er den Abend mit dem größten Aufreger: Die überwiegend männlichen, weißen und durchschnittlich 63 Jahre alten Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Sciences hatten keinen einzigen afroamerikanischen Schauspieler für einen Oscar nominiert, unter den Auserwählten bei Drehbuch und Regie fand sich keine einzige Frau. Laut Netzgemeinde meinten es die weißen, alten Männer mit Ava DuVernay, Regisseurin des Bürgerrechtsdramas »Selma«, besonders böse - auch sie wurde nicht nominiert. Und dass, obwohl sie afroamerikanischer Abstammung und zudem noch weiblich ist!

Hollywood hat eine schreckliche und andauernde Tradition des Rassismus. Doch diese ausgerechnet an »Selma« festzumachen, ist schwach. Das bemühte, aber furchtbar biedere Biopic hätte weder einen Oscar für das Buch, noch für die Regie, noch als Bester Film verdient gehabt. Man hätte hier die Themenwahl honorieren können. Man hätte aber gleichzeitig fragen müssen, warum das erste filmische Denkmal für Martin Luther King so konventionell inszeniert wurde. Bei der Missachtung für »Selma« lag die Academie also richtig - während sie bei vielen anderen Entscheidungen voll daneben lag.

Der Absahner des Abends war »Birdman« (Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch, Beste Kamera). Es haben bei den »wichtigsten Filmpreisen der Welt« schon schlechtere Filme abgeräumt als diese »Satire« über das Hollywood/Broadway-Milieu - etwa »Gravity« im letzten Jahr. Und doch: Die Oscars für die ordentliche Komödie sind ein Schlag ins Gesicht für die ignorierten Richard Linklater und Benett Miller und ihre Meisterwerke »Boyhood« und »Foxcatcher«, die die Hauptpreise eigentlich unter sich hätten aufteilen müssen. Der eine Oscar für Patricia Arquette (Beste Nebendarstellerin/»Boyhood«) ist da kein Trost. Steve Carell musste seine Ausnahmeperformance in »Foxcatcher« an Eddie Redmaynes Darstellung eines an Amyotropher Lateralsklerose erkrankten Physikers messen lassen - da konnte er nur verlieren. Gerecht ist Redmaynes Triumph darum trotzdem nicht. Dass »Foxcatcher« als Bester Film gar nicht erst nominiert war (und statt dessen Machwerke wie der Kriegsrechtfertigungs-Western »American Sniper«) ist unbegreiflich.

Zur Besten Doku wurde »Citizen Four« über Edward Snowden gekürt - was Wim Wenders den verdienten Oscar kostete und von Dietmar Dath mit einem »herzlichen Politfernsehmagazinglückwunsch« kommentiert wurde. Der Beste Fremdsprachige Film ist »Ida« aus Polen. Ein deutscher Film war nicht nominiert - gab es in diesem deutschen Filmjahr etwa nichts mit Nazis?

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