Karsai: ISAF war falsch

Afghanischer Expräsident erhebt Vorwürfe gegen USA

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
Die aktuell vorliegende Afghanistan-Sicherheitsbilanz umfasst den Januar. Bei rund 700 Vorfällen seien 1500 Menschen getötet worden. Expräsident Hamid Karsai hält den ISAF-Einsatz für gescheitert.

Die Nachrichten aus Afghanistan werden spärlicher. Seit der ISAF-Militäreinsatz zu Jahresbeginn in die angeblich pure Ausbildungsmission »Resolute Support« überführt wurde, ist das Interesse der Öffentlichkeit auch in Deutschland merklich gesunken. Dabei ist die Situation ernst. Nicht nur, dass inzwischen offenbar Gruppen des Islamischen Staates in Afghanistan operieren. Die meisten Minister, die der neue Präsident Aschraf Ghani vorgeschlagen hat, sind vom Parlament nicht bestätigt worden. Ohne Regierung kommen aber auch die notwendigen wirtschaftlichen Reformen nicht in Gang.

In dieser Situation hat der ehemalige Präsident Afghanistans Hamid Karsai der ARD ein Interview gegeben. Darin stellte er den Erfolg des ISAF-Einsatzes, an dem auch die Bundeswehr 13 Jahre lang teilgenommen hatte und bei dem 52 deutsche Soldaten ums Leben gekommen sind, grundsätzlich in Frage. Man trauere mit den Familien der getöteten deutschen, britischen und amerikanischen Soldaten. »Aber ob ihre Opfer etwas gebracht haben, da habe ich eine andere Meinung als der Westen. Die Amerikaner und ihre Verbündeten wollten hier Terror und Extremismus bekämpfen. Stattdessen haben wir in der Welt und in unserer Region hier mehr Extremismus. Welche Fehler haben dazu geführt? Das müssen die Amerikaner und der Westen beantworten. Den Militäreinsatz hier sehe ich negativ.«

Er versuchte seit 2004, die USA davon abzuhalten, den Krieg gegen den Terror in afghanische Dörfer zu tragen. Dieser Krieg müsse gegen Trainingscamps geführt werden, doch die seien in Pakistan. Den USA sei es nur darum gegangen, »sich in Afghanistan militärisch niederzulassen«. Deshalb habe er sich auch geweigert, das nächste Stationierungsabkommen zu unterzeichnen.

Sein Nachfolger tat es. Karsai unterstützt zwar auch die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte, doch sagt er: »Ich unterstütze nicht im Geringsten den Einsatz der Spezialkräfte.« Er hofft, dass jetzt endlich Friedensgespräche mit den Taliban vorankommen. Sogar der Nachbar Pakistan, dem Karsai seit Langem vorwirft, die Extremisten unterstützt zu haben, ist neuerdings dafür offen. »Ob Pakistan das jetzt ernst meint oder nicht, das werden wir sehen. Für uns ist wichtig, dass die Taliban mit uns reden und hier ein neues, friedliches Leben beginnen.«

Der neue US-Verteidigungsministers Ashton Carter hat unterdessen eine Verlängerung des US-amerikanischen Truppeneinsatzes in Afghanistan nicht ausgeschlossen. Hintergrund der Überlegungen ist, dass eine längere und stärkere Truppenpräsenz im Kampf gegen die Taliban, das Terrornetzwerk Al Qaida und Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat sinnvoll sein könnte.

Nach dem ISAF-Ende sind im Norden Afghanistans noch 650 deutsche Soldaten stationiert. In Masar-i-Scharif versuchen 50 von ihnen gemeinsam mit Experten aus 19 anderen Nationen, die afghanischen Soldaten auszubilden. Kommentar Seite 4

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