nd-aktuell.de / 26.02.2015 / Kultur / Seite 16

»Sich mischender Klang«

Ralph Grünebergers Sammlung »Gedichte von Welt« führt in Leipzigs Partnerstädte

Peter Gosse

Es belebt unsereinen, wenn - in dieser Zeit der Dichtungs-Dämmerung - Pier Paolo Pasolini »Würze und Duft jener ... betroffenen Welt, die naiv sich verbraucht« vom Adria-Wind uns zutragen lässt oder Ivo Andrić jene »Unruhe unserer Tage« vergegenwärtigt, da »wir uns schmerzlich sehnen, dieser Welt Schritte und Gedanken zu entheben«.

Ralph Grüneberger, selbst formidabler Dichter (unlängst vermerkte er zeitdiagnostisch zur Weihnacht: »X-Mas: Chromosom des Kommerz«) - Grüneberger vermag es, der Deutschen Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik als deren Vorsitzender mit sympathischer Vitalität gutzutun. So veranstaltete er Lesungen in passagierreichen Straßenbahnen sowie in (es gibt sie noch, zumindest in Leipzig) Paternostern. Und: Man möchte nicht auskommen müssen ohne die Präsenz-Bibliothek der Weltdichtung am Leuschner-Platz - unweit des neuen monströsen Katholiken-Kirchbaus.

Flaggschiff dieser Poeten-Sozietät ist »Poesiealbum neu«, eine mittlerweile 20 Editionen umfassende Folge thematischer Anthologien, die - erfrischende Konkurrenz zum »Poesiealbum« aus Wilhelmshorst - dieser Tage mit »Gedichte von Welt. Leipzigs Partnerstädte« auf sich aufmerksam macht.

Womit werden wir - ja doch! - verwöhnt?

Mit je einem Gedicht aus den vierzehn Partnerstädten, gelegen auf vier Kontinenten (zu den europäischen Verbundenen gesellen sich Nanjing in China, Addis Abeba in Äthiopien, Houston in den USA und das unlängst hinzugewonnene Herzliya in Israel; eine russische Partnerstadt fehlt leider): Diese Gedichte werden geboten in Originalsprache sowie - ehrenamtlich geleisteter - Eindeutschung.

Förderlich die beigegebene CD: Die Nachdichtungen und weitgehend auch die Originale (!) finden sich gesprochen (vorzüglich: Axel Thielmann) und gerahmt von wohltuenden Musiken: »Massa« Großwig und Cosmic Love Project spielen.

Perlen innerhalb des Verse-Konvolütchens: die besagten Pasolini und Andrić, freilich Skácel; manch einen mag auch die mit einem Nobelpreis dekorierte Szymborska beeindrucken.

Die Lyrikerin Joanna Skelt, die in ihrem, übrigens in Tansania (!) ersterschienen, Gedicht die »Schmelztiegel-Stadt« Birmingham beschreibt, schließt mit dem Lobpreis auf ein Jugendorchester, dessen »sich mischender Klang ... und Glitzern der Instrumente ... die Stadt zusammennäht zu geschmolzenem Gold«.

Reden wir nicht gleich von Gold - aber ein statthafter, ja anmutiger Versuch, ein Nähte-Filigran über Stadt- und Staatsgrenzen zu legen, steht uns jedenfalls ins Haus. Das mit bewundernswürdiger Rührigkeit zusammengetragene Opusculum, aus dessen orange-blauem Umschlag eine gleichsam sprühende Mischtechnik-Arbeit des Äthiopiers Solomon Wija hervorleuchtet, mag der Stadt Leipzig, in deren 1000. Geburtsjahr, beihelfen, nicht so sehr groß über sich zu denken als vielmehr groß über sich hinaus.

Poesiealbum neu: Gedichte von Welt. Leipzigs Partnerstädte. Herausgegeben von Ralph Grüneberger. Edition Kunst & Dichtung, Leipzig. 32 S. m. Hörbuch, br.,10,80 €.