West-östliche Improvisationen

Das Berliner Quartett Cyminology verjazzt persische Lyrik

  • Antje Rößler
  • Lesedauer: 4 Min.

Kaum irgendwo dürfte die Dichtkunst größere Wertschätzung genießen als im persischen Kulturraum. Bereits im Mittelalter entstand dort Lyrik auf Weltliteratur-Niveau; zum Beispiel aus der Feder von Hafis, der schon Goethe zu seinem »West-östlichen Divan« inspirierte. Aus diesem Fundus bedient sich die deutsch-iranische Sängerin Cymin Samawatie, die persische Texte vertont. Zum Bindeglied zwischen Orient und Okzident wird dabei die Improvisation, die ja sowohl im Jazz als auch in der persischen Musik eine zentrale Rolle spielt.

Cyminology, so heißt die Band um Samawatie, der auch der Pianist Benedikt Jahnel, Kontrabassist Ralf Schwarz sowie Ketan Bhatti am Schlagwerk angehören. Die vier umhüllen persische Verse mit einer ganz eigenen, überwiegend sanften und elegischen Musik. Anleihen nehmen sie aus der spätromantischen Kammermusik ebenso wie aus dem Jazz und allerlei Weltmusik. Die neue Platte »Phoenix« wird am 26. Februar im Rathaus Charlottenburg erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.

Seit jeher erkundet Cymin Samawatie die Grenzbereiche zwischen den Genres. Sie studierte klassische Musik in Hannover und wechselte dann nach Berlin an die Jazzabteilung der Universität der Künste. »In meinem klassischen Studium war ich auf der Suche nach dem schönsten Klang und in meinem Jazzstudium nach der interessantesten Improvisation« erklärt die Sängerin. »Jetzt kann ich beides verbinden und auch meine persische Herkunft einfließen lassen.«

Der Iran ist Teil ihrer Identität; obwohl die Künstlerin in Braunschweig geboren wurde: Ihre iranischen Eltern waren während der Herrschaft des Schahs als Studenten nach Deutschland gekommen. Gleichwohl entwickelte Cymin eine enge Bindung an die Heimat ihrer Vorfahren, wo sie als Kind jeden Sommer verbrachte.

Umso mehr schmerzt sie es jetzt, dass sie im Iran als »islamkritische« Künstlerin gilt und die Einreise daher ein unkalkulierbares Risiko darstellt. Ihr »Vergehen« ist banal: »Ich stehe als Frau zusammen mit Männern auf der Bühne - schon das ist nicht erlaubt«, meint die Sängerin.

Den Rezitationen persischer Gedichte begegnete Cymin Samawatie erstmals vor Jahren bei einer Tante. »Vom ersten Moment an fühlte ich mich von den weichen Sprachmelodien angezogen«, erinnert sie sich. »Dabei verstand ich anfangs kaum ein Wort, denn das Altpersische ist von der heutigen Umgangssprache ziemlich weit entfernt. Ich ließ mir dann die Verse übersetzen, um sie zu vertonen.« Ihre eigenen Texte hingegen verfasst sie in modernem Persisch.

Das neue Album »Phoenix« widmet Cymin Samawatie der iranischen Dichterin Forough Farrokhzād, die sich Mitte des 20. Jahrhunderts hartnäckig für die Rechte der Frau einsetzte. »Farrokhzād inspiriert viele iranische Frauen. Unter anderem, weil sie aus ihrer vorgeschriebenen Rolle ausbrach und dafür gesellschaftliche Ächtung in Kauf nahm«, erklärt Samawatie. »Auch mir gibt ihr Beispiel Kraft: Sie hat über ihren eigenen Lebensweg entschieden - egal, was andere davon halten. Und sie zeigt voller Mut, wie die Einheit von Leben und Werk gelingen kann.«

Für ihr Album vertonte Cymin Samawatie einige der schmerzlichen Liebesgedichte Farrokhzāds ebenso wie klassische Sufi-Verse von Hafis, eigene Lyrik sowie Verse von Nima Youschidsch, dem Begründer der modernen persischen Poesie.

Das Quartett Cyminology wurde für dieses Projekt erweitert um Martin Stegner, der Bratsche bei den Berliner Philharmonikern spielt. Sein warmer Streicherton fädelt sich als eine Art zweite Gesangsstimme in den Klang der Band ein. Eigens für Bratsche und Gesang hat Cymin Samawatie ein anrührendes Duett komponiert, das tonmalerisch den mythischen Vogel Phönix auf seinem Bambuszweig vergegenwärtigt.

Die Einspielung ist aber ebenso geprägt von Benedikt Jahnels Klavierspiel. Dessen eigenwillige Harmonien, die minimalistischen Tonwiederholungen und unerwarteten Akzente bringen Spannung in Cymin Samawatis elegische Gesangslinien.

Auf »echte« persische Tonleitern und Melodiewendungen greifen Cyminology übrigens nicht zurück. »Ich komponiere eher intuitiv und lasse mich von Gefühlen und Klängen leiten«, meint Cymin Samawatie. »Persische Musiker haben mir aber gesagt, dass sie durchaus gelegentlich vertraute Melodieführungen in meinem Gesang erkennen würden.«

26.2., 20.30 Uhr, Festsaal im Rathaus Charlottenburg; www.cyminology.de

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