Schlaglöcher als Alibi

Viele Straßen im Land müssten dringend saniert werden, nun sollen es ÖPP-Modelle richten

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Über marode Straßen wird vielerorts geklagt, eine Kommission im Bundeswirtschaftsministerium will das Problem mithilfe privater Geldgeber lösen. Doch für Länder und Kommunen lohnt sich das selten.

Zwei Jahrzehnte lang wurde beim Bau von Straßen in Mecklenburg-Vorpommern geklotzt. Doch viele Neubaustrecken sind inzwischen in die Jahre gekommen. Das Straßennetz befindet sich zwar überwiegend noch in einem guten Zustand. Aber 27 Prozent der Landesstraßen müssten laut Verkehrsminister Christian Pegel (SPD) eigentlich kurzfristig saniert werden, weil ihr Zustand »schlecht« ist. Außerdem gelten 25 Prozent der 3293 Kilometer als »mittelmäßig« - auch hier sollte nachgebessert werden.

Noch löchriger sind die Bundesstraßen, und für die oft maroden lokalen Straßen sind die klammen Kommunen zuständig. Damit schneidet Mecklenburg-Vorpommern zwar besser ab als etwa das reiche Baden-Württemberg oder als Sachsen, aber schlechter als Brandenburg und Thüringen. Das ergab eine Umfrage im vergangenen Jahr. Zukünftig gelte »Erhalt vor Neubau«, gibt Pegel die Richtung vor. Eine Strategie, die der Bund und die meisten Bundesländer seit längerem fahren. Doch wie selbst dies finanziert werden soll, steht in den Sternen. »Wir werden in 2015 etwa 17 Millionen Euro für die Sanierung von Landesstraßen ausgeben«, heißt es im Schweriner Verkehrsministerium auf Anfrage. Der geschätzte Bedarf liege allerdings bei »etwa 38 Millionen Euro«. Rund 500 Kilometer an »schlechten« Landesstraßen werden daher nicht instand gesetzt werden können.

Während es an der östlichen Ostsee bislang ruhig blieb, schlagen die Wellen weiter im Westen hoch. Fast ein Drittel der 3600 Kilometer Landesstraßen sind laut Straßenzustandsbericht der Regierung Schleswig-Holsteins in einem schlechten oder sogar sehr schlechten Zustand. Zur Freude der Autowerkstätten, scherzte der Norddeutsche Rundfunk über die Unzahl an Schlaglöchern. In Schleswig-Holstein gilt die »90-36-30-Regel«, was in ähnlicher Relation auf fast alle Länder zutrifft. Damit die Autofahrer wieder über heile Straßen brausen könnten, müssten 90 Millionen Euro jährlich ausgegeben werden. 36 Millionen wären nötig, um den wenigstens den aktuellen, wenn auch löchrigen Zustand zu erhalten. 30 Millionen stehen aber 2015 nur zur Verfügung.

In den Staatskassen fehle das Geld, stöhnen die Verkehrsminister. Und die Schuldenbremse verhindere eine Finanzierung über neue Kredite. Für manchen Politiker dienen die Schlaglöcher nun als Alibi, um private Finanzierungen zu fordern und zu fördern. Eine von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eingesetzte Expertenkommission tagt am heutigen Donnerstag in Berlin. Dem Gremium gehören Allianz-Vorstand Helga Jung, Deutsche-Bank-Boss Jürgen Fitschen und der Chef der Baugewerkschaft Michael Vassiliadis an. Ende April sollen Empfehlungen folgen. Doch kürzlich sickerte durch, dass die Kommission an einen »Bürgerfonds« denkt, über den sich private Anleger an Straßenbaumaßnahmen beteiligen. Für institutionelle Investoren, wie Versicherungen und Fondsgesellschaften, sollen Projekte länderübergreifend in ÖPP-Fonds gebündelt werden.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) macht sich seit längerem für solche »Öffentlich Private Partnerschaften« stark. ÖPP- oder nach der englischen Schreibweise PPP-Projekte seien wirtschaftlicher: »Die Straße ist schneller verfügbar, die Bauqualität hoch, weitere Staus werden vermieden.«

Dabei schien die Begeisterung um die von Anfang an politisch heftig umstrittenen ÖPP-Projekte nach einigen Flops bereits abgeebbt zu sein. Bauverzögerungen und Qualitätsmängel hatte auch der Bundesrechnungshof kritisiert - und zu hohe Kosten. Die Investoren erwarten »zweistellige Renditen«, erfuhr etwa das Verkehrsministerium in Kiel im Rahmen eines Pilotprojektes an der Grenze zu Dänemark. »Oftmals«, so der Sprecher von Minister Reinhard Meyer (SPD), »sei eine herkömmliche Finanzierungen daher günstiger.«

Besonders gilt dies in der aktuellen Niedrigzinsphase: Um sich 500 Millionen Euro für zehn Jahre zu leihen, musste Brandenburg im Januar gerade mal ein viertel Prozent an Zinsen versprechen. Eine Sanierung der Straßen auf Pump würde sich also volkswirtschaftlich schnell auszahlen.

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