Johannis will um Schengen werben

Besuch des rumänischen Staatspräsidenten in Berlin bei Parteifreundin Merkel

  • Silviu Mihai
  • Lesedauer: 3 Min.

Der rumänische Staatspräsident Klaus Johannis will der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel erklären, warum sein Land nicht nur arm und korrupt, sondern auch wichtig ist.

Von Silviu Mihai, Bukarest

Der Besuch des rumänischen Präsidenten Klaus Johannis könne und müsse einen Neustart in den deutsch-rumänischen Beziehungen bedeuten, sind sich Leitartikler einig. Da man keine Dolmetscher mehr brauche, müsse eine neue, klarere und offensivere Diplomatie getrieben werden. Der wirtschaftsliberale, deutschstämmige Johannis, der Ende letzten Jahres überraschend zum Präsidenten gewählt wurde, trifft an diesem Donnerstag in Berlin ein.

Die Erwartungen daheim sind ziemlich groß. Denn mit dem heutigen politischen Deutschland hat Johannis vieles gemeinsam. Seine Nationalliberale Partei (PNL) ist wie die CDU Teil der Europäischen Volkspartei (EVP). Anders als der ungarische Kollege Viktor Orban oder der bulgarische Premier Bojko Borissow gilt Johannis als überzeugter Demokrat ohne autoritäre Tendenzen und bringt insofern die Parteifreunde in Berlin in keine peinliche Situation. Mit Kanzlerin Merkel teilt der rumänische Präsident nicht nur die Muttersprache und das Studium der Physik, sondern auch die verbreitete Überzeugung, dass Sparsamkeit Vertrauen erzeuge und durch Wirtschaftswachstum belohnt werde.

»Diese volkswirtschaftlich sehr fragwürdige Idee ist allerdings zweifellos in einer Kultur verwurzelt, in der der Siebenbürger Sachse Johannis aufgewachsen ist«, kommentiert der linke Publizist und Blogger Costi Rogozanu. »Zwar glauben die meisten Rumänen immer noch nicht daran, Ehrlichkeit und Fleiß machten den Mann reich, doch sie haben Johannis gewählt und im Wahlkampf hat er genau dieses Thema der deutschen Tugenden sehr hoch gehängt.«

Neben der in Berlin willkommenen Unterstützung für die Austeritätspolitik soll vor allem die klare Linie zur Korruptionsbekämpfung auf Zustimmung stoßen, meinen viele Bukarester Kommentatoren. Mit der Wahl von Johannis scheint sich nämlich in Rumänien ein Paradigmenwechsel vollzogen zu haben. Fast täglich werden Politiker, Beamte oder Geschäftsleute ins Visier der Staatsanwaltschaft genommen. Die Anzahl der Verurteilungen stieg in den letzten Monaten rasant. Betroffen sind jetzt nicht nur wie bisher hauptsächlich die Sozialdemokraten um Premier Victor Ponta, sondern durchaus auch wirtschaftsliberale Parteikollegen des Präsidenten.

In Berlin kann Klaus Johannis also Ergebnisse zeigen. Im Gegenzug wird er fordern, dass Rumänien sehr bald in den Schengen-Raum aufgenommen wird - ein Schritt, den Deutschland seit Jahren blockiert, obwohl alle technischen und gesetzlichen Bedingungen längst erfüllt sind. Zwar ist das Land seit 2007 EU-Mitglied, und Anfang 2014 fielen auch die letzten Einschränkungen für rumänische Staatsbürger auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

So kann einem Rumänen bereits heute weder die Einreise nach Deutschland verweigert, noch der Aufenthalt an Bedingungen geknüpft werden. Deswegen haben die Passkontrollen keinen Sinn mehr, sie seien nur eine unnötige Belastung der Haushalte und ein Symbol dafür, dass Rumänen immer noch als Europäer zweiter Klasse behandelt werden, argumentiert man in Bukarest.

Manche CDU-Politiker sehen das allerdings anders. Vor kurzem äußerte sich etwa Wolfgang Bosbach weiterhin skeptisch, was einen Schengen-Beitritt Rumäniens angeht. Das Ergebnis der rumänischen Präsidentschaftswahl ändere nichts an der Situation, so der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags. Bosbachs Weigerung löste in Bukarest irritierte Reaktionen aus. Der Verweis auf Korruption könne nur noch als Vorwand verstanden werden, meinten viele Kommentatoren. Johannis solle Merkel klipp und klar auf Deutsch sagen, das so etwas nicht geht.

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